Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie
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Peru. Gebiet des Amazonas. ' •<br />
Er sagt nämlich^: „Das Volk des Landes ist so fleischermäßig, daß<br />
die Lebendigen das Grab der Toten sind; denn es ist gesehen<br />
worden, daß der Mann sein Weib ißt, der Bruder den Bruder oder<br />
die Schwester, der Sohn den Vater, und wenn sie einen Gefangenen<br />
gemästet haben, so holen sie ihn an dem Tage, an dem er gefressen<br />
werden soll, mit mancherlei Gesängen herbei, und der Herrscher<br />
betiehlt, daß ein Indianer ihm jedes Glied abschneiden muß, und<br />
so fressen sie ihn bei lebendigem Leibe. Nach der Aussage der<br />
Einwohner von Arma haben sie mehr als achttausend Indianer<br />
verzehrt, und einige Spanier haben diese Qual auch ausgestanden.^'<br />
Wir erwähnen diese Erzählung des Herbeea nur, weil sie uns<br />
geeignet erscheint, den Übergang zu der <strong>Anthropophagie</strong> der Inka-<br />
peruaner zu machen. Denn sowie bei dem hochstehenden Volke auf<br />
der Hochebene von Anahuac Menschenopfer und Kannibalismus<br />
herrschten, so kamen sie auch in Peru vor. Gaecilasso de la<br />
Vega entwirft ein abschreckendes Bild von der Wildheit der ältesten<br />
Urbewohner Perus vor dem Auftreten der Inkas, indem er die Opfer-<br />
feste beschreibt, bei denen Menschen zu Tode gemartert und ge-<br />
fressen wurden. Selbst unter den Inkas hatten die Peruaner diese<br />
blutige Sitte noch, obgleich dieses traurige Erbteil einer barba-<br />
rischen Vorzeit unter einer humaneren Regierung schon vor der<br />
Ankunft der Europäer mehr und mehr in Vergessenheit geraten war.-<br />
Gebiet des Amazonas. Auf den Antillen (abgesehen von<br />
rückfälligen Negern), in Mexiko, im Gebiete der Cordilleren ist un-<br />
zweifelhaft heute die <strong>Anthropophagie</strong> erloschen. Dagegen ist sie,<br />
was man mit Unrecht bezweifelt hat, noch weit in den Tiefebenen<br />
Südamerikas, zumal bei den umherstreifenden Horden im Gebiete<br />
des Amazonas und seiner Nebenflüsse vertreten. Zu den Zweiflern<br />
gehört in erster Linie der verdiente Eduaed Pöppig, welcher von<br />
den am Ostabhange der Andes lebenden Indianervölkern bemerkt:<br />
,,Der ungewöhnliche Grad von Bildungsfähigkeit der meisten den<br />
Anden näher lebenden Stämme wird wohl am besten durch die<br />
Thatsache bewiesen, daß vor kaum 150 Jahren noch unter ilmen<br />
Gewohnheiten herrschten, die sie der <strong>Anthropophagie</strong> dringend ver-<br />
dächtig machten. Wenn man mit allem Ernste annimmt, daß dergleichen<br />
Völker die niedrigsten und wildesten sind, so ist es um<br />
so mehr Beweis ihrer guten Anlagen, wenn die Zucht der Euro-<br />
» Herrera bei Purchas His Pilgi-ims, The Third Part. London 1625. 890.<br />
- Garoii.asso de LA Vega , Histoire des Yncas rois du Perou. Traduit de<br />
TEspagiiol. Cap. IX. 21. Prescott, Eroberung von Peru. I. 81.