Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie
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Alte geschichtliche Nachrichten über <strong>Anthropophagie</strong>. 1<br />
Hekodot^, Jemand ein sehr hohes Alter erreicht, so kommen seine<br />
nächsten Blutsverwandten zusammen und opfern ihn und mit ihm<br />
mehrere Schafe. Nach vollbrachtem Opfer kocht man sowohl den<br />
geopferten Anverwandten, als die geschlachteten Schafe und verzehrt<br />
beide gemeinschaftlich. <strong>Die</strong> Massageten halten diese Behandlung<br />
ihrer Anverwandten für ein großes Glück. Solche Personen jedoch,<br />
die an Krankheiten sterben, verzehren sie nicht, sondern begraben<br />
sie; dies wird aber als ein Unglück beklagt, da dem Gestorbenen<br />
nicht die Ehre des Begräbnisses im Leibe seiner Verwandten zu<br />
teil geworden. Gleichfalls nach Heeodot^ war es unter den Nach-<br />
barn der Massageten, den Issedonen, Sitte, daß die Söhne nach<br />
dem Tode der Väter Opfertiere schlachteten, dann die gestorbenen<br />
Väter wie die geschlachteten Tiere zerstückelten, beides kochten und<br />
verzehrten. Besonders aber hoben sie die Schädel der Verstorbenen<br />
als große Heiligtümer auf, fassten sie in Gold und brauchten sie<br />
bei ihren jähidichen Opfern. Heeodot nennt selbst in Indien mehrere<br />
Völker^, unter welchen entweder die Kinder ihre verstorbenen<br />
Eltern verzehrten, oder wo man jeden kranken Verwandten bald umbrachte,<br />
damit das Fleisch sich nicht verschlechtere, weil es zum<br />
Verzehren bestimmt war. Aeistoteles hebt die <strong>Anthropophagie</strong><br />
einiger Völker am Pontus hervor; es sei dieses, sagt er, tierische<br />
Wildheit {d-7^Qi6vi-^g), krankhaftes Gelüste wie bei den Schwangeren.<br />
Steabo berichtet ganz ähnliches von den Derbikern in Margiana.<br />
Sie erwürgen Greise, sobald sie das siebzigste Jahr zurückgelegt<br />
haben und die Verwandten verzehren deren Fleisch. Alte Frauen<br />
von gleichem Alter werden zwar erwürgt, aber nicht gegessen, son-<br />
dern begraben.^<br />
Von Irland (Uqvi]) erzählt Steabo^, daß seine rohen Bewohner<br />
„sowohl Menschen- als Vielfresser und und es für rühmlich halten,<br />
ihre verstorbenen Eltern zu verzehren und sich öffentlich zu be-<br />
gatten , sowohl mit andern Frauen , als mit ihren Müttern und<br />
Schwestern. Doch auch dieses erzählen wir nur so, ohne glaub-<br />
würdige Zeugen zu haben; obgleich wenigstens die Menschenfresserei<br />
auch eine Skythische Sitte sein soll und in Belagerungsnöten auch<br />
die Kelten, Iberer und mehrere andere dasselbe gethan haben."<br />
Desgleichen bemerkt Diodoeus Siculus, daß unter den wilden Be-<br />
wohner des Nordens und an den Grenzen Skvthiens es Menschen-<br />
1 Herodot I. 216. - Herodot IV. 26.<br />
ä Herodot III. 38. 97. 99.<br />
^ p. 201 ed. Casaubon.<br />
* Strabo p. 520 ed. Casaub.<br />
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