"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...
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Der Protektoratsangehörige<br />
Der Fall Gerhard Sch., Potsdam 1942<br />
Mit <strong>der</strong> Durchsetzung <strong>der</strong> nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Expansionspolitik<br />
wurde <strong>der</strong> deutschen Industrie <strong>der</strong> ungehin<strong>der</strong>te Zugriff auf ausländische<br />
Arbeitskräfte möglich, die, je nach ihrem Herkunftsland,<br />
einem ausgeklügelten System von son<strong>der</strong>rechtlichen Bestimmungen<br />
unterworfen waren, die ihre Rechte und Freiheiten beschnitten.<br />
31 Kennzeichnend <strong>für</strong> diese, die ausländischen Arbeiter betreffende,<br />
Son<strong>der</strong>gesetzlichkeit war ein ausgesprochenes West-Ost-<br />
Gefälle. Auch in Potsdam-Babelsberg gab es ab 1941 so gut wie keinen<br />
Betrieb, ob Marmeladenproduzent o<strong>der</strong> Rüstungsfirma, <strong>der</strong><br />
sich nicht <strong>der</strong> Arbeitskraft ausländischer Arbeiter aus den von<br />
Deutschland überfallenen und okkupierten Län<strong>der</strong>n bediente.<br />
Am 21. Januar 1942 wandte sich <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Großbeerenstraße ansässige<br />
Rüstungsbetrieb Frieseke & Höpfner an die Gestapo in Potsdam.<br />
/DOKUMENT 1/ In diesem Schreiben wurde <strong>der</strong> aus Prag<br />
stammende Gerhard Sch. angezeigt, falsche Angaben über seine<br />
rassische Herkunft gemacht zu haben. Sch., zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Anklage<br />
23 Jahre alt, war im Oktober 1941 durch das Arbeitsamt Prag<br />
als Schlosser an die I.G. Farben nach Bitterfeld vermittelt worden.<br />
Von dort kam er zu Frieseke & Höpfner. Sch. kann als qualifizierte<br />
Arbeitskraft angesehen werden. Er hatte 1938 sein Abitur am Deutschen<br />
Gymnasium in Krummau abgelegt und anschließend begonnen,<br />
in Prag Maschinenbau zu studieren. Sch. begann seine universitäre<br />
Ausbildung in <strong>für</strong> sein Land politisch bewegten Zeiten. Am<br />
1.Oktober1938 begann die deutsche Wehrmacht in Folge des<br />
Münchner Abkommens mit ihrem Einmarsch in das Sudetengebiet.<br />
Nachdem am 14. März 1939 die Slowakei ihre Unabhängigkeit erklärt<br />
und Ungarn die Karpato-Ukraine besetzt hatte, marschierte am<br />
15. März die deutsche Wehrmacht in tschechisches Gebiet ein. Böhmen<br />
und Mähren wurden besetzt und zum Protektorat erklärt.<br />
1939 wurden im Protektorat sämtliche Hochschulen geschlossen.<br />
Sch., verschiedener Sprachen kundig, arbeitete in einer Elektrogroßhandlung<br />
in Prag als Buchhalter und Korrespondent.<br />
Seine jüdische Herkunft hatte Sch. bisher stets erfolgreich verschwiegen.<br />
In Babelsberg aber begegnete ihm das Unglück in Gestalt<br />
eines Landsmannes. Der Realschulprofessor B., <strong>der</strong> Sch.s<br />
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