"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...
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unbesetzten Teil Frankreichs. Das Waffenstillstandsabkommen enthielt<br />
im Artikel § 19 eine Klausel, die die französische Vichy-Regierung<br />
verpflichtete, deutsche Flüchtlinge auf Verlangen auszuliefern.<br />
Prominente Opfer dieser Politik wurden u.a. die sozialdemokratischen<br />
Politiker Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding und <strong>der</strong><br />
Verleger Theodor Wolff. 3<br />
Bis zum Januar 1941 war <strong>der</strong> Postverkehr mit Zivilinternierten im<br />
unbesetzten Teil Frankreichs gestattet. Die Mitteilung Nr.1023 des<br />
Reichspostmin<strong>ist</strong>eriums vom Januar 1941 verbot mit sofortiger Wirkung<br />
diesen Postverkehr.<br />
Bei den hier aktenkundig gewordenen Fällen handelt es sich um<br />
Postvergehen aus den Jahren 1940/1941. Die Briefe sind an engste<br />
Angehörige in Camp de Gurs gerichtet. Es <strong>ist</strong> anzunehmen, daß<br />
Käthe G. und Albert F. nach <strong>der</strong> Einordnung Frankreichs als befeindetes<br />
Ausland, aber vor allem unter dem Eindruck <strong>der</strong> benannten<br />
Verordnung des Postmin<strong>ist</strong>eriums sich <strong>der</strong> Hilfe jüdischer Hilfsorganisationen<br />
in <strong>der</strong> Schweiz zu bedienen versuchten, indem sie ihre<br />
Briefe an die entsprechenden Institutionen mit <strong>der</strong> Bitte um Weitersendung<br />
schickten. Hanna F. schickte ihren Brief auf direktem Wege,<br />
ungeachtet <strong>der</strong> genannten Verordnung als Interniertenpost ausgewiesen,<br />
nach Gurs.<br />
In allen Fällen wurden die Briefe abgefangen und erreichten die<br />
Empfänger nie. Schreiber und Empfänger sahen sich auch nie wie<strong>der</strong>.<br />
Der Umgang mit diesen „Delikten“ verdeutlicht die generelle<br />
Rechtsunsicherheit. Keiner <strong>der</strong> Betroffenen wurde auf den Postämtern<br />
darauf hingewiesen, daß er sich strafbar machte. Die Beamten<br />
an den Schaltern kannten oft selbst die genauen Gesetze nicht, bzw.<br />
gaben unkonkrete Auskünfte.<br />
Das weitere Schicksal <strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong>n <strong>ist</strong> im Folgenden dokumentiert.<br />
Über die Angehörigen, an die die Briefe gerichtet waren, ließ<br />
sich nichts ermitteln. 1942 begannen mit Unterstützung <strong>der</strong> Behörden<br />
<strong>der</strong> Vichy-Regierung unter Laval und Pétain die Deportationen<br />
aus denfranzösischen Gefangenenlagern.Nachweisbar wurden zwischen<br />
1942 und 1944 73853 Menschen, darunter 5258 deutsche<br />
Emigranten deportiert. Ziel <strong>der</strong> 79 Konvois waren die Vernichtungslager<br />
Auschwitz, Sobibór und Majdanek. Der letzte Zug verließ am<br />
17. August 1944, zwei Monate nach Landung <strong>der</strong> Alliierten in <strong>der</strong><br />
Normandie, Drancy mit dem Ziel Buchenwald. 4<br />
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