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"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...

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DOKUMENT 5<br />

Aus <strong>der</strong> Begründung des Urteils gegen Gustav M.,<br />

gesprochen vom Amtsgericht Guben am 23. April 1942: 15<br />

Der <strong>Angeklagte</strong> <strong>ist</strong> Jude und führt die Vornamen Gustav Israel.<br />

Nach § 3 <strong>der</strong> 2.Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die<br />

Än<strong>der</strong>ung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August<br />

1938 müssen Juden, sofern es im Rechts- und Geschäftsverkehr üblich<br />

<strong>ist</strong>, den Namen anzugeben, stets auch wenigstens einen ihrer<br />

Vornamen führen. Sind sie nach § 2 zur Annahme eines zusätzlichen<br />

Vornamens verpflichtet, <strong>ist</strong> auch dieser Vornamen zu führen<br />

… Trotzdem aber hat <strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong> seit <strong>der</strong> genannten Verordnung<br />

fortgesetzt bei Eingaben mit „Justizrat M.“ ohne Beifügung<br />

<strong>der</strong> Vornamen unterzeichnet. Der <strong>Angeklagte</strong> wendet ein, daß er in<br />

<strong>der</strong> gleichen Weise schon vor <strong>der</strong> Verordnung Tausende von Schreiben<br />

ohne Vornamen unterschrieben habe und die Gesetzsammlung<br />

wegen seines schlechten Augenlichts zu lesen außerstande sei …<br />

Der <strong>Angeklagte</strong> hat die Beifügung des Vornamens nicht fahrlässig,<br />

son<strong>der</strong>n vorsätzlich unterlassen. Die 2. Durchführungsverordnung<br />

<strong>ist</strong> allgemein in <strong>der</strong> Presse besprochen worden und kann dem <strong>Angeklagte</strong>n<br />

nicht entgangen sein. Wenn er sich das Gesetz nicht<br />

näher angesehen hat, so entschuldigt das ihn nicht. Als ehemaligen<br />

Justizrat müßten ihm die Folgen eines Verstoßes wohl bekannt sein<br />

und <strong>ist</strong> bei ihm zumindest ein „Dolus eventualis“ anzunehmen. Es<br />

<strong>ist</strong> daher tatsächlich festgestellt worden, daß <strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong> seit<br />

1939 fortgesetzt <strong>der</strong> Vorschrift des § 3 <strong>der</strong> angeklagten Verordnung<br />

zuwi<strong>der</strong>gehandelt hat und zwar vorsätzlich. Der <strong>Angeklagte</strong> war<br />

deshalb gemäß § 4 Abs.1 <strong>der</strong> Verordnung zu betrafen. Bei <strong>der</strong> Strafzumessung<br />

<strong>ist</strong> zu Gunsten des <strong>Angeklagte</strong>n berücksichtigt, daß er<br />

86 Jahre alt, krank und bewegungsunfähig <strong>ist</strong>. Außerdem hat er<br />

sich während <strong>der</strong> langen Zeit seines Lebens straffrei geführt. Mit<br />

Rücksicht hierauf erschien eine Gefängnisstrafe von 2 Monaten als<br />

ausreichende Sühne. Da <strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong> haftunfähig <strong>ist</strong>, <strong>der</strong> Strafzweck<br />

bei ihm auch schon durch eine Geldstrafe erreichbar erschien,<br />

<strong>ist</strong> … auf eine angemessenen Geldstrafe in erster Linie erkannt.<br />

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