"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...
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dische Frauen zu. Ihr Schicksal besiegelte eine Direktive des Chefs<br />
<strong>der</strong> Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich vom 12. Juni 1937, die besagte,<br />
daß „bei Rassenschande zwischen einem Deutschen und einer<br />
jüdischen Frau (…) diese sofort nach Abschluß des Gerichtsverfahrens<br />
in Schutzhaft zu nehmen (<strong>ist</strong>).“ 14 Diesem Vorgehen fiel<br />
auch Irene D., die Partnerin von Paul B. in Golzow zum Opfer.<br />
In <strong>der</strong> ersten Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes gab es wie<strong>der</strong>holte<br />
Diskussionen sowohl über die Höhe des Strafmaßes, als auch darüber,<br />
welche Handlungen strafwürdig seien. Vor diesem Hintergrund urteilten<br />
die Gerichte anfänglich relativ zurückhaltend. So stellte beispielsweise<br />
die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/O<strong>der</strong> um die Jahreswende<br />
1935/36 noch die ersten Ermittlungen gegen Paul B. und Irene D. ein.<br />
1936 lag die durchschnittliche Gefängnisstrafe <strong>für</strong> verurteilte Juden<br />
bei 10,4 Monaten, bei Zuchthausstrafen bei 14,9 Monaten. Für<br />
Nichtjuden betrug die durchschnittliche Gefängnisstrafe 10,2 Monate,<br />
und die Höhe <strong>der</strong> Zuchthausstrafen lag durchschnittlich bei<br />
17,3 Monaten. 15 Diese Urteilspraxis kritisierte das Geheime Staatspolizeiamt<br />
am 21. März 1936 in einer Beschwerde an das Reichsjustizmin<strong>ist</strong>erium<br />
als zu mild. Am 2. April 1936 richtete <strong>der</strong> Reichsjustizmin<strong>ist</strong>er<br />
eine Rundverfügung an die deutschen Staatsanwaltschaften,<br />
in <strong>der</strong> die Zuchthausstrafe als Regelstrafe <strong>für</strong> „Rassenschande“-Vergehen<br />
gefor<strong>der</strong>t wurde. In den Kommentaren und<br />
Interpretationen zum Blutschutzgesetz wurde „Rassenschande“ als<br />
ein sehr schweres Delikt gewertet. Roland Freisler 16 , zu diesem Zeitpunkt<br />
als Staatssekretär im Reichsjustizmin<strong>ist</strong>erium <strong>für</strong> das Ressort<br />
Strafrecht zuständig, stellte „Rassenschande“ mit Volksverrat, Verrat<br />
am Führer, Landesverrat und Verrat an <strong>der</strong> Wehrkraft auf eine<br />
Ebene. 17<br />
Als beson<strong>der</strong>s verwerflich werteten die Gesetzgeber Beziehungen<br />
zwischen einem jüdischen Mann und einer sogenannten arischen<br />
Frau, da die Frau „als Gefäß, als Gral <strong>der</strong> Blutreinheit“ 18 verstanden<br />
wurde. Aus dieser Einstellung heraus resultierte, daß in <strong>der</strong> Praxis die<br />
Gerichte jüdische Männer in weit höherem Maße zu Zuchthausstrafen<br />
19 verurteilten als nichtjüdische <strong>Angeklagte</strong>. Diese Urteilspraxis<br />
<strong>ist</strong> auch in den anschließend dokumentierten Fällen ablesbar.<br />
Paul B. wurde als „Arier“ vom Landgericht Frankfurt/O<strong>der</strong> zu einer<br />
Gefängnisstrafe verurteilt. Günther S. erhielt als Jude in seinem Verfahren<br />
vor dem gleichen Gericht eine Zuchthausstrafe. Die bereits<br />
genannte geheime Direktive Heydrichs for<strong>der</strong>te hinsichtlich <strong>der</strong> in<br />
„Rassenschandeprozessen“ verurteilten Juden „nach Verbüßung<br />
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