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"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...

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mögenswerte, wurden die Verfahren offensichtlich eingestellt. Eine<br />

genaue Rekonstruktion <strong>ist</strong> auf Grund <strong>der</strong> bruchstückhaften Überlieferung<br />

nicht korrekt möglich. Es <strong>ist</strong> generell davon auszugehen, daß<br />

die Zahl <strong>der</strong> tatsächlichen Verfahren und Verurteilungen höher lag,<br />

da die Überlieferung <strong>der</strong> Akten bedauerlicherweise nicht lückenlos <strong>ist</strong>.<br />

Nach Deliktgruppen geglie<strong>der</strong>t erfolgten elf Verurteilungen wegen<br />

„Rassenschande“, acht Verurteilungen wegen Verstößen gegen<br />

das Kennkartengesetz und die Namensordnung und vier Verurteilungen<br />

wegen Verstößen gegen Gesetze, die den Briefverkehr<br />

mit dem befeindeten Ausland betrafen. Für die Dokumentation wurden<br />

aus diesen Deliktgruppen Fälle ausgewählt und in einen rechth<strong>ist</strong>orischen<br />

Zusammenhang gestellt. Die vorliegenden Fälle sind repräsentativ<br />

<strong>für</strong> die Praxis <strong>der</strong> Verfolgung und die Häufung von Delikten,<br />

vergleicht man die Brandenburger Prozesse mit thematisch<br />

ähnlich strukturierten Dokumentationen, <strong>der</strong>en Herausgebern bereits<br />

durch die Bevölkerungsstruktur des Territoriums eine größere<br />

Materialdichte zur Verfügung stand. 45<br />

Der Auswahl <strong>der</strong> Fälle lagen drei entscheidende Kriterien zugrunde.<br />

Es sollte die Anwendung und Auslegung <strong>der</strong> antisemitischen<br />

Gesetze durch die Justiz und die daraus folgende Rechtlosmachung<br />

<strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong>n deutlich werden. Berücksichtigt werden<br />

mußte die Entwicklung <strong>der</strong> Spruchpraxis, die vor dem Hintergrund<br />

<strong>der</strong> sich verschärfenden antisemitischen Politik an Härte zunahm.<br />

Und nicht zuletzt wurden die Dokumente im Fall <strong>der</strong> sogenannten<br />

Rassenschandefälle nach Unterschieden in <strong>der</strong> Behandlung von Juden<br />

und Nichtjuden in den Prozessen hinterfragt.<br />

Die Prozeßakten offenbaren vor allem die Perspektive <strong>der</strong><br />

NS–Justiz auf ihre Opfer. Die Sicht <strong>der</strong> Opfer auf die Ereignisse<br />

spiegelt sich teilweise in den Vernehmungsprotokollen wi<strong>der</strong>. Sie<br />

zeigen einerseits die tiefe Verunsicherung und auch Resignation<br />

<strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong>n, denen es schwerfällt, das Geschehene zu begreifen.<br />

An<strong>der</strong>erseits aber wi<strong>der</strong>legen die Prozeßakten auch die<br />

These, daß die Juden sich wi<strong>der</strong>standslos entrechten ließen. In<br />

mehreren Fällen schalteten die <strong>Angeklagte</strong>n einen Anwalt ein, akzeptierten<br />

die Urteile nicht und gingen in Berufung. Daß den Berufungen<br />

nicht stattgegeben wurde, lag nicht an <strong>der</strong>en unqualifizierten<br />

Begründungen, son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> extensiven Auslegung <strong>der</strong><br />

antisemitischen Gesetze und dem Außerkraftsetzen des Rechtsgrundsatzes<br />

„in dubio pro reo“.<br />

Die Geschichten <strong>der</strong> <strong>Angeklagte</strong>n erinnern an Josef K. in Franz<br />

Kafkas 1925 geschriebenen Roman „Der Prozeß“. Josef K. wird ei-<br />

19

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