"... der Angeklagte ist Jude" - Brandenburgische Landeszentrale für ...
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Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Potsdam erhob am 12. Juni<br />
1941 Anklage gegen F. wegen Verstoßes gegen die §§ 2,4 <strong>der</strong><br />
Verordnung über den Nachrichtenverkehr vom 2. April 1940 und<br />
<strong>der</strong> Bekanntgabe zur Verordnung über den Nachrichtenverkehr vom<br />
28. Mai 1940. Während die Staatsanwaltschaft generell alle Sendungen,<br />
ohne zu berücksichtigen, daß es sich um Interniertenpost<br />
handelte, kriminalisierte /DOKUMENT 3/, differenzierten das Gutachten<br />
<strong>der</strong> Abwehrstelle des Wehrkreises III /DOKUMENT 4/, das<br />
durch den Anwalt von F. gefor<strong>der</strong>t worden war, zwischen den direkten<br />
Briefen nach Gurs, die legal waren und dem Brief über das<br />
Hilfskomitee in Genf.<br />
Das Gericht verurteilte ihn am 30. Oktober 1941 zu einer Geldstrafe<br />
von 50,– RM und berief sich dabei vor allem auf das Gutachten<br />
<strong>der</strong> Abwehrstelle, die die Angelegenheit als einen „leichtere(n)<br />
Fall“ 6 charakterisierte. /DOKUMENT 5/<br />
Der Fall F. beleuchtet schlaglichtartig das Vorgehen <strong>der</strong> Staatsanwaltschaften<br />
im Falle <strong>der</strong> jüdischen <strong>Angeklagte</strong>n. Der Rechtsgrundsatz<br />
in dubio pro reo kam gar nicht mehr zur Anwendung. Wurde<br />
von den <strong>Angeklagte</strong>n die Gesetzeskenntnis einschließlich aller Zusatzverordnungen<br />
en detail verlangt, wurden diese bis in die Anklageschriften<br />
sehr oberflächlich angewand. Die Staatsanwaltschaft<br />
hatte auch jene Postsendungen als illegal gewertet, die vor dem Januar<br />
1941 direkt nach Gurs gesendet wurden. Am 25. November<br />
1941 zahlte Albert F. seine Strafe an die Gerichtskasse in Potsdam.<br />
Albert F. wurde wenige Wochen später, am 13. Januar 1942, mit seiner<br />
Frau Betty und dem 20jährigen Sohn Gerhard von Berlin nach<br />
Riga deportiert. Der Transport erstreckte sich über mehrere Tage. Es<br />
war bitter kalt und nicht wenige starben bereits auf dem Transport.<br />
Von den Ankommenden wurde dort ein kleiner Teil ins Ghetto gebracht,<br />
wo sie noch schwerste Arbeiten verrichten mußten. Die an<strong>der</strong>en,<br />
so berichten Zeugen <strong>der</strong> damaligen Ereignisse in Riga, wurden<br />
unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet. Am 13. Januar 1942<br />
wurden 1027 Menschen nach Riga deportiert. Davon haben zehn<br />
überlebt. 7<br />
Bereits in <strong>der</strong> Woche vom 30. November zum 8. Dezember 1941<br />
waren etwa 30000 Ghettobewohner ermordet worden. Sie wurden<br />
in den Wald von Rumbula getrieben. Die Insassen des Altersheims<br />
erschoß man an Ort und Stelle. Jene Kin<strong>der</strong>, die im Kin<strong>der</strong>lazarett<br />
lagen, wurden aus dem zweiten Stock auf aufgepflanzte Bajonette<br />
geworfen.<br />
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