Zusammenfassung – Schweizerisches Bundesstaatsrecht –
Zusammenfassung – Schweizerisches Bundesstaatsrecht –
Zusammenfassung – Schweizerisches Bundesstaatsrecht –
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
N. 1754-1762<br />
6. Teil: Rechtsetzung und Staatsverträge<br />
§60 Verfassungsgebung<br />
I. ABÄNDERBARKEIT DER BUNDESVERFASSUNG UND IHRE GRENZEN<br />
Unter Einhaltung der Revisionsvorschriften kann die BV jederzeit ganz oder teilweise revidiert<br />
werden (Art. 192 Abs. 1 BV).<br />
Voraussetzungen und Schranken der Verfassungsrevision<br />
- Durch die Verfassung festgelegte Voraussetzungen<br />
Die Revisionsvorschriften (vgl. N. 1769 ff. und 1779 ff.) müssen bei<br />
Verfassungsänderungen eingehalten werden. Die Schranken des zwingenden Völkerrechts<br />
sind zu beachten (vgl. N. 1756(a)). Bei Teilrevisionen muss die Einheit der Form und die<br />
Einheit der Materie (N. 1786, 1787) beachtet werden.<br />
- Bindung an zwingende Bestimmungen des Völkerrechts<br />
Für Teil- und Totalrevisionen müssen gemäss Art. 139 Abs. 3, Art. 193 Abs. 4 und Art. 194<br />
Abs. 2 als Schranke der Verfassungsrevision das zwingende Völkerrecht (sog. ius cogens)<br />
beachten. Darunter werden völkerrechtliche Regeln verstanden, die wegen ihrer<br />
Bedeutung für die internationale Rechtsordnung unbedingte Geltung beanspruchen (z.B.<br />
Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei, notstandsfeste Garantien in Art. 15 Ziff. 2 EMRK).<br />
Ob die Verfassung mit zwingendem Völkerrecht nur die bereits von der<br />
Völkerrechtsgemeinschaft als ius cogens anerkannte Normen meint oder ob die<br />
zwingenden Bestimmungen einen eigenen schweizerischen Rechtsbegriff darstellen, ist<br />
umstritten.<br />
Wird der Verfassung nämlich den internationalen Rechtsbegriff zugrunde gelegt, bleibt die<br />
Schweiz an den zwingenden Charakter einer Norm gebunden, wenn diese von der<br />
Staatengemeinschaft als ius cogens anerkannt wurde und kann ihn nicht unilateral<br />
abändern.<br />
Volk und Ständen müssen jedenfalls Initiativen zur Abstimmung unterbreitet werden, die<br />
das zwingende Völkerrecht nicht verletzen. Bei einer Annahme ergeben sich Probleme bei<br />
der Umsetzung auf Gesetzesebene. Der Gesetzgeber kann dann nämlich die<br />
internationalen Vorgaben nur einhalten, wenn er die ursprüngliche Absicht der Initianten<br />
nicht vollumfänglich umsetzt.<br />
Zudem sind zahlreiche internationale Verträge (z.B. EMRK, UNO-Pakt I/II) für die Schweiz<br />
rechtlich oder faktisch unkündbar, weshalb die Schweiz keine reale Entscheidungsfreiheit<br />
besitzt. Deshalb ist fraglich, ob in einem Konfliktfall völkerrechtswidrige Volksinitiativen<br />
überhaupt zur Abstimmung gelangen sollen.<br />
- Faktische Durchführbarkeit<br />
Diese ungeschriebene Schranke verlangt, dass eine faktisch undurchführbare Vorlage nicht<br />
zur Abstimmung gebracht werden sollte, sofern die Unmöglichkeit des Inhaltes<br />
offensichtlich ist. Praktische Schwierigkeiten bei der Verwirklichung reichen nicht.<br />
- Weitere Schranken<br />
Teilweise werden die Kernbereiche von Fundamentalnormen als verbindlich angesehen<br />
(v.a. Grundrechte, Föderalismus, Demokratie, Rechtsstaat).<br />
Dass nur generell-abstrakte Normen mit verfassungswesentlichem Inhalt Gegenstand<br />
einer Volksinitiative sein können, hat die BVers noch nie angenommen (gerade weil auf<br />
Bundesebene keine Gesetzesinitiative oder ein Finanzreferendum besteht).<br />
Da kein Verbot rückwirkender Volksinitiativen in der Verfassung selber vorgesehen ist,<br />
darf das Rückwirkungsverbot nicht oder nur sehr bedingt auf verfassungsrechtliche<br />
Rückwirkungsklauseln übertragen werden.<br />
47