und Landfahrertums in der Schweiz. Dissertation, Zürich 1944. - sifaz

Beim psychopathischen Wanderer, beim echten Landstreicher
dagegen helfen rein soziale Maßnahmen nichts. Hier muß Fürsorge
im Sinne einer klinischen Pflege eingreifen; diese Persönlichkeiten
sind für das Volksganze als produktive Mitglieder verloren.
Die Aufhebung der Erscheinung der Nichtseßhaftigkeit liegt
somit einmal ganz allgemein in einer produktiven Arbeitslosenpolitik,
dann aber auch in der individualisierenden, psychiatrischen
Behandlung der pathologischen Fälle.
Wir haben in unserer historischen Einleitung gesehen, wie
grausam man in früheren Jahrhunderten gegen die Wanderarmen
vorging und sie fast durchwegs zu Landstreichern stempelte,
wie auch die elementare Einteilung Zwinglis in
«Würdige» und, «Unwürdige» wieder verwischt wurde. Erst
mit dem Auftreten der Massenarbeitslosigkeit trat man der
Gruppe der Wanderarbeitslosen mit einer andern Gesinnung
gegenüber; es dauerte jedoch noch lange, bis man sich hinsichtlich
der zweiten Gruppe zur Auffassung durchrang, daß es sich
bei diesen wandernden Arbeitsscheuen um krankhafte Wesen
handle: man hielt ihre Faulheit und Arbeitsscheu lediglich für
einen bösartigen Charakterfehler und meinte, durch Strafen
und Zwangserziehung in Arbeitshäusern diesem Übel begegnen
zu können. Die Erforschung des pathologischen Wandertriebs
wurde Ende des letzten Jahrhunderts von französischen Gelehrten
aufgenommen. Charcot 4,çhuf mit seinem «automatisme ambulatoire»
den ersten wissenschaftlichen Namen für die noch
unbekannte Krankheitserscheinung; in Deutschland waren es
J. Donath" und E. Schultze," welche auf den Zustand des
krankhaften Wanderns hinwiesen.'
Es ist klar, daß im Rahmen dieser Arbeit, welche lediglich
eine Übersicht über die Probleme der Nichtseßhaftigkeit im
Hinblick auf die schweizerischen Verhältnisse geben will, nicht
auf eine detaillierte Besprechung der Psychologie der Nicht-
25 J. Donath: Der epileptische Wandertrieb, Archiv für Psychiatrie,
Bd. 32, 1899, S. 355 ff.
26 E. Schultze: Über den krankhaften Wanderttieb, Allg. Zeitschrift f.
Psychiatric, Bd. 60, 1903, S. 824 ff.
27 Über die weitere Entwicklung vergl. Ludwig Mayer: Der Wandertrieb,
Diss, Würzburg 1934.
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