und Landfahrertums in der Schweiz. Dissertation, Zürich 1944. - sifaz
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mehrtem Maße zu." Die Gesetze erwähnen außer diesen beiden<br />
Tatbestandsmerkmalen noch die Mittellosigkeit, o<strong>der</strong> die Unmöglichkeit,<br />
se<strong>in</strong>en Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten.24<br />
Trotz <strong>der</strong> je<strong>der</strong>mann offenstehenden Möglichkeit, die <strong>in</strong><br />
unserem Lande im allgeme<strong>in</strong>en gutorganisierten Fürsorgee<strong>in</strong>richtungen<br />
zu benützen, muß man sich bewußt se<strong>in</strong>, daß es<br />
gerade im Wesen des Landstreichers liegt, die Fürsorge<strong>in</strong>stitutionen<br />
zu meiden, teils weil er sich vor <strong>der</strong> «Versenkung» fürchtet,<br />
teils weil er im Fall des Abschiebens <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Heimatgeme<strong>in</strong>de<br />
dennoch ke<strong>in</strong>e positive Unterstützung erhalten kann. Außerdem<br />
handelt es sich hier um e<strong>in</strong>e Bestimmung gegen «bestimmte<br />
Klassen», was auch <strong>in</strong> den Beratungen <strong>der</strong> zweiten Expertenkommission<br />
ausdrücklich erwähnt wurde." Doch erachtete man<br />
damals e<strong>in</strong>e solche Bestimmung als «notwendig»." Niemandem<br />
würde es jedoch e<strong>in</strong>fallen, den <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung aufgeführten<br />
Vaganten <strong>der</strong> «müßigen Klasse» <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitshaus zu stecken,<br />
obwohl auch er durchaus asozial <strong>und</strong> arbeitsscheu ist, umhervagiert<br />
<strong>und</strong> für die Geme<strong>in</strong>schaft ebenfalls ke<strong>in</strong>e produktive Ar-<br />
23 Vergl. oben § 5 II.<br />
24 Im Verlaufe unserer Untersuchungen s<strong>in</strong>d uns Fälle begegnet, <strong>in</strong><br />
welchen z. B. die Heimatgeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>em typischen Stadtbummler die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Logiskosten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren Stadt bezahlte, um die Versorgungskosten<br />
e<strong>in</strong>zusparen. Aber auch <strong>der</strong> Stadtbummler war mit diesem «Vertrag» durchaus<br />
e<strong>in</strong>verstanden, denn er zog es vor, sich als halb<strong>in</strong>vali<strong>der</strong> Settler <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Großstadt umherzutreiben, trotz <strong>der</strong> Gefahr, von <strong>der</strong> Polizei erwischt zu werden.<br />
Es ist überhaupt e<strong>in</strong> eigenartiges Phänomen, diese «Asphaltverb<strong>und</strong>enheit»<br />
<strong>der</strong> Großstadtbummler, e<strong>in</strong>e Ersche<strong>in</strong>ung, die <strong>der</strong> Verfasser beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>in</strong> Paris <strong>und</strong> London beobachten konnte. Trotz <strong>der</strong> Unbilden des Großstadtlebens<br />
liebt z. B. <strong>der</strong> echte Pariser «clochard» se<strong>in</strong>e «Heimat»stadt.<br />
auch wenn er unter den Se<strong>in</strong>ebrücken schlafen muß. Das betriebsame Leben<br />
<strong>der</strong> Metropole übt e<strong>in</strong>e starke Anziehungskraft auf diese Leute aus. So<br />
wurde folgende bezeichnende Geschichte e<strong>in</strong>es großen französischen Philantropen<br />
herumgeboten, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> «clochards» annahm: Um ihrer Arbeitsscheu<br />
entgegenzukommen, sollten sie ohne zu arbeiten auf irgende<strong>in</strong>em<br />
Schloß auf dem «Lande» wie im Schlaraffenland leben. Anfänglich waren die<br />
«clochards» begeistert <strong>und</strong> lebten auf ihrem «chateau» wie die Fürsten<br />
um dann, e<strong>in</strong>er nach dem an<strong>der</strong>n, vom Heimweh getrieben, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s<br />
schmutzige Kellerloch o<strong>der</strong> unter die feuchte Brücke <strong>der</strong> Stadt zurückzukehren!<br />
25 archer Prot. II Exp.Komm. Bd. VII. S.172.<br />
26 archer a. a. O.