und Landfahrertums in der Schweiz. Dissertation, Zürich 1944. - sifaz
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«Sicherungsbedürfnis das Vergeltungsbedürfnis <strong>in</strong> hohem Maße<br />
überragt.» Das «Vergeltungsbedürfnis» sei <strong>in</strong> diesen Fällen von<br />
ger<strong>in</strong>ger Stärke <strong>und</strong> könne deshalb unberücksichtigt bleiben: «es<br />
werde praktisch durch den Freiheitsentzug bet riedigt.06 Es ist<br />
hier nicht <strong>der</strong> Platz, e<strong>in</strong>e Polemik gegen die Verfechter <strong>der</strong> Vergeltungsstrafe<br />
e<strong>in</strong>zuleiten, son<strong>der</strong>n lediglich zu betonen, daß mit<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Besserungsanstalt <strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> Vergeltung<br />
nicht verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> darf»<br />
Sowohl diese ausländischen Beispiele als auch die Entwicklung<br />
des kantonal-schweizerischen Rechts beweisen, daß sich<br />
fast überall die Ansicht durchgerungen hat, daß es sich bei <strong>der</strong><br />
Landstreicherei nicht um e<strong>in</strong> Delikt im strafrechtlichen S<strong>in</strong>ne,<br />
son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong> krankhaftes menschliches Verhalten handle,<br />
gegen welches nicht durch den Strafrichter, son<strong>der</strong>n durch die<br />
Fürsorgebehörden Maßnahmen zu ergreifen seien.<br />
Untersucht man das «Delikt» an sich <strong>und</strong> auf se<strong>in</strong>e Tatbestandsmerkmale,<br />
so ergibt sich, daß es se<strong>in</strong>er Natur nach sich<br />
nicht um e<strong>in</strong>e abgegrenzte, deliktische Handlung o<strong>der</strong> Unterlassung<br />
handelt (u. E. aber auch nicht um e<strong>in</strong> sog. Dauer- o<strong>der</strong><br />
Zustandsdelikt, wie Bertsch's annimmt), son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong> gesellschaftswidriges<br />
o<strong>der</strong>, um <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Term<strong>in</strong>ologie zu<br />
sprechen, um e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>schädliches Verhalten."<br />
Die E<strong>in</strong>ordnung <strong>der</strong> Landstreicherei unter die Übertretungen<br />
hat nur polizeilichen Wert im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Ordnungsvorschrift.2°<br />
Um an die wirklichen, nämlich psychischen, erbbiologi-<br />
16 Baumgartner: a. a. O. S. 207 <strong>und</strong> dort zitierte Literatur.<br />
17 Außerdem — so <strong>in</strong>teressant <strong>der</strong> Ersatz <strong>der</strong> Strafe durch sichernde<br />
<strong>und</strong> bessernde Maßnahmen im heutigen deutschen Recht <strong>in</strong> bezug auf diese<br />
Materie ist, so lobenswert <strong>und</strong> nachahmenswiirdig die Wan<strong>der</strong>höfe mit<br />
ihrem Heimcharakter s<strong>in</strong>d, so kann man sich doch e<strong>in</strong>es leisen Fröstelns<br />
kaum erwehren, wenn man bedenkt, daß die ganze Anstrengung viel weniger<br />
zum Wohl dieser von <strong>der</strong> Gesellschaft e<strong>in</strong>stmals <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Beziehung ausgestoßenen<br />
Menschen geschieht, als deshalb, um «das Abfallprodukt <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenwan<strong>der</strong>ung»<br />
(K. Blaum <strong>in</strong> «Der Nichtseßhafte Mensch», S. 63) zum «geballten<br />
Massene<strong>in</strong>satz» von Arbeitsfähigen für den Aufbau Großdeutschlands<br />
zu verwenden (Standartenfiihrer Aldrich Seidler <strong>in</strong> «Der Nichtseßhaf te<br />
Mensch», S. 452).<br />
18 Bertsch: «Ober Landstreicher <strong>und</strong> Bettel». Diss. Tüb<strong>in</strong>gen S. 39.<br />
19 Derselben Ansicht auch Zürcher Prot. II Exp.Komm. Bd. VII. S. 172,<br />
ohne allerd<strong>in</strong>gs die letzten Konsequenzen zu ziehen.<br />
Vergl. auch Roesner <strong>in</strong> Handwörterbuch d. Krim<strong>in</strong>ologie. Bd. 2, S.114.