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Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at

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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />

Als Zielgruppe werden im Programmplanungsdokument der „Initi<strong>at</strong>ive <strong>Erwachsenenbildung</strong>“ „bildungsbenachteiligte<br />

und nicht mehr schulpflichtige“ Personen genannt, denen mit dem Erwerb eines Pflichtschulabschlusses<br />

eine „chancengerechte Teilhabe an der Wissensgesellschaft“16 ermöglicht werden soll.<br />

Mangelnde formale Bildung wird dabei als Ausdruck „fest verankerte(r) Chancenungleichheit in der Gesellschaft<br />

und im Wirtschaftsprozess“17, daher der Zugang zu höheren formalen Bildung als Beitrag zu mehr<br />

Chancengerechtigkeit gesehen. Mangelnde Abschlüsse „beeinträchtigen die Lebenschancen des Einzelnen,<br />

und gleichzeitig gehen der Gesellschaft und Wirtschaft Entwicklungschancen verloren“.18<br />

Sowohl im Programmplanungsdokument wie auch im Curriculum wird der Zusammenhang zwischen Ausbildung/Weiterbildung,<br />

Beschäftigungschancen und Einkommen also eher linear gedacht: Je höher das<br />

Bildungslevel, desto geringer die Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit und desto höher das Einkommen.<br />

Diese aus der Humankapitaltheorie stammende Annahme wird in der Bildungssoziologie generell sehr<br />

kritisch diskutiert19 und wird im Folgenden um einen Aspekt erweitert, der für pädagogisch-<strong>didaktische</strong><br />

Fragestellungen rund um den PSA relevant ist: Seit Ende der 90er Jahre polarisiert sich der europäische<br />

Arbeitsmarkt. Es gibt einen wachsenden Bedarf sowohl am oberen wie auch am unteren Ende der Qualifik<strong>at</strong>ionsskala,<br />

während der Bedarf in den mittleren Qualifik<strong>at</strong>ions- und Lohnniveaus sinkt. Der Konkurrenzdruck<br />

am unteren Ende der Qualifik<strong>at</strong>ionshierarchie steigt.20<br />

Der Pflichtschulabschluss stellt zweifellos ein Qualifik<strong>at</strong>ionsminimum für die Teilnahme am Arbeitsmarkt<br />

oder weiterführender Bildungswege dar, es stellt sich jedoch die Frage, ob er eine hinreichende Voraussetzung<br />

für die Teilnahme am qualifizierten Arbeitsmarkt ist. Dazu formuliert etwa der österreichische<br />

(Bildungs-)Soziologe Manfred Krenn: „Das Signal, das heute von einem „Nur-Pflichtschulabschluss“, v.a.<br />

am Arbeitsmarkt ausgeht, ist ein völlig anderes als noch vor dreißig Jahren. Die Wahrnehmung von gering<br />

Qualifizierten h<strong>at</strong> sich in diesem Zeitraum entscheidend verändert – geringe formale Bildung bzw.<br />

Qualifik<strong>at</strong>ion ist zu einem sozialen Stigma geworden.“21 Dieses soziale Stigma kann auch, so Krenn weiter,<br />

durch ein Nachholen des Pflichtschulabschlusses schwer wettgemacht werden, insbesondere wenn der<br />

Abschluss im Erwachsenenalter erfolgt: „Auch eine potenziell mögliche nachträgliche „Korrektur“ ihres<br />

Stigmas der Ausbildungslosigkeit (z.B. durch eine Ausbildung nach dem 25. Lebensjahr) trägt nicht zum<br />

‚Erwerb eines völlig normalen St<strong>at</strong>us‘ bei, sondern transformiert das ‚Ich mit einem bestimmten Makel zu<br />

einem Ich mit dem Kennzeichen, ein bestimmtes Makel korrigiert zu haben‘.“22<br />

Für pädagogisches Arbeiten im Rahmen des PSA würde dieser Befund – vor allem für die noch jugendlichen<br />

Schulabbrecher_innen – zum einen nahelegen, den Abschluss als möglichst frühes Korrektiv t<strong>at</strong>sächlich<br />

nur als Einstieg in eine weitere Bildungskarriere oder der Integr<strong>at</strong>ion in den Arbeitsmarkt zu sehen<br />

und ein starkes Gewicht auf eine entsprechende Weiterbildungsber<strong>at</strong>ung der Lernenden zu legen. Des<br />

Weiteren wäre ein kontinuierliche Evaluierung und gegebenenfalls Adaption des PSA nötig um seine<br />

Gleichwertigkeit mit einem NMS-Abschluss sicher zu stellen.<br />

16 Ebd., S. 7<br />

17 Ebd., S. 9<br />

18 Ebd., S. 17<br />

19 Vgl. die Überblicksdarstellung in Kristen (1999) oder Kupfer (2011)<br />

20 European Centre for the Development of Voc<strong>at</strong>ional Training (CEDEFOP) 2011; Krenn 2010, S. 6ff<br />

21 Krenn 2010, S. 1<br />

22 Ebd., S. 8. Ähnlich argumentieren Ansätze, die mit dem Bourdieu‘schen Habitusbegriff operieren, wonach „entscheidende<br />

soziale Weichenstellungen, wie Schul- und Berufsabschlüsse () und die Ausbildung von Habitusmustern bereits<br />

erfolgt und in soziale Laufbahnen eingemündet sind (). Weiterbildung kann demnach im Erwachsenenalter höchstens<br />

„Feinregul<strong>at</strong>ionsfunktionen“ () übernehmen.“ (ebd., S.10)<br />

Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />

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