Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at
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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />
tischer Perspektive das Augenmerk auf die Herstellung dieser Differenzen zu legen, also zu fragen, wer,<br />
warum und zu welchem Zweck von „kulturellen Differenzen“ spricht: „Im Rahmen der migr<strong>at</strong>ionspädagogischen<br />
Perspektive geht es aufgrund des Wissens um Probleme und Einseitigkeiten der Kulturperspektive<br />
nicht darum, ‚Kultur‘ und ‚kulturelle Identität‘ schlicht als Erklärung (Explanandum) zu benutzen<br />
(i.S.v. ‚Sie macht das, weil sie der Kultur xy zugehört‘), sondern zuallererst als zu erklärendes Phänomen<br />
(Explanans) und zu analysierende Praxis (i.S.v. Aufgrund welcher Bedingungen wird die Deutung ‚kulturelle<br />
Zugehörigkeit‘ von wem mit welcher Konsequenz wofür benutzt?). ‚Kulturelle Differenz‘ ist kein bestehender<br />
und selbstverständlich existenter Unterschied, sondern vielmehr eine Praxis des Unterscheidens,<br />
auf die unter bestimmten Bedingungen Akteure (z.B. Pädagog/innen) zurückgreifen.“ (S. 19) Die<br />
Wirkung der Essentialisierung „kultureller Differenzen“ besteht in der Verfestigung der Grenzziehung<br />
zwischen dem „Wir“ und „dem Anderen“, das die Migr<strong>at</strong>ionspädagogik mit dem von E. Said entwickelten<br />
Konzept des „Othering“ analysiert.<br />
• Begriffsschöpfungen: Um die Anliegen der Migr<strong>at</strong>ionspädagogik und besonders die ihre Differenz zur<br />
Interkulturellen Pädagogik deutlich zu machen, bringen Mecheril et al. neue Begriffe in die Diskussion<br />
ein. St<strong>at</strong>t der kulturalisierenden Bezeichnung von „kultureller Zugehörigkeit“ verwenden sie den Begriff<br />
der „n<strong>at</strong>io-ethno-kulturellen Zugehörigkeit“, st<strong>at</strong>t „Migrant_innen“ den Begriff „Migr<strong>at</strong>ionsandere“. Diese<br />
Kunstwörter sollen den Konstruktionscharakter des jeweils bezeichneten deutlich machen.<br />
• Eine Vision der Migr<strong>at</strong>ionspädagogik wäre – im Anschluss an Foucaults Verständnis von „Kritik als Kunst,<br />
nicht dermaßen regiert zu werden“ – die Durchsetzung „einer Praxis (des Denkens, Sprechens und Handelns),<br />
die von der Überzeugung getragen wird, dass es sinnvoll ist, nach Handlungs-, Erfahrungs- und<br />
Denkformen, die weniger Macht über Andere ausüben, Ausschau zu halten und sie wirklich werden<br />
zu lassen.“ (S. 19) Dass diese Vision einer anderen, reflexiven Praxis so sanft formuliert wird, hängt mit<br />
zwei Momenten zusammen: Einerseits wirft die Migr<strong>at</strong>ionspolitik einen kritischen Blick auch auf identitäre<br />
wie sich als antirassistisch bezeichnende Bewegungen, die in ihrer Praxis manchmal ebenso eine<br />
Tendenz zur Essentialisierung und Dichotomisierung aufweisen wie die Verhältnisse, die sie kritisieren:<br />
„Homogenisierung und Viktimisierung sind Fallstricke antirassistischer Arbeit. Komplementär ist der Antirassismus<br />
gefährdet, ein ‚Wesen‘ derer zu entwerfen, die als rassistisch gelten (‚die Weißen‘). Es scheint<br />
eine Eigenart von Gegen-Str<strong>at</strong>egien zu sein, die Logik dessen, wogegen sie sich richten, unbeabsichtigt<br />
aufzugreifen und zuweilen zu bestätigen.“ (S. 171) Zweitens kann ein primär dekonstruktivistisch ausgerichteter<br />
Blick logischerweise keine andere, „greifbarere“ Praxis anbieten, würde diese doch sofort wieder<br />
Ziel einer dekonstruktivistischen Analyse. Insofern verbleibt die migr<strong>at</strong>ionspädagogische Vision im<br />
„Anerkennungstopos“ verhaftet, den sie allerdings nicht auf die Anerkennung n<strong>at</strong>io-ethno-kultureller<br />
(zugeschriebener) Differenzen verkürzt wissen will, sondern die sich im Rahmen einer „Pädagogik der<br />
Mehrfachzugehörigkeiten“ (S. 185) bewegen, also „Mischformen, Gleichzeitigkeiten, Hybridisierungen<br />
und Mehrfachzugehörigkeiten“ (S. 185) fokussieren müsste.<br />
Dem oben rezensierten Buch „Migr<strong>at</strong>ionspädagogik“ fehlen didaktisch-methodische <strong>Überlegungen</strong> – sie<br />
ist theoretisch-empirisch ausgerichtet und liefert wenig Hinweise darauf, wie eine gelingende Praxis konkret<br />
aussehen könnte. Diese Eigenschaft dürfte auch ein Ergebnis ihres dekonstruktivistischen Zugangs<br />
sein.<br />
Aus der Perspektive eines intersektionalen pädagogischen Ans<strong>at</strong>zes fehlt der migr<strong>at</strong>ionspädago gischen<br />
Perspektive der Anschluss an soziologische, ökonomische und politikwissenschaftlichen Theorien, die<br />
Themen wie „Migr<strong>at</strong>ion“, „Demokr<strong>at</strong>ie“, „Ungleichheit im Bildungssystem“ schon seit vielen Jahrzehnten auf<br />
ihrer Agenda haben, wie folgende Zit<strong>at</strong>e andeuten: „Die Logik der neuen demografisch und wirtschaftlich<br />
Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />
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