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Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at

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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />

4.3. Migr<strong>at</strong>ionspädagogik<br />

Die Migr<strong>at</strong>ionspädagogik gehört in den Kanon der Differenz- und Anerkennungspädagogiken, gemeinsam<br />

mit Interkultureller- und Inklusionspädagogik, feministischen und rassismuskritischen Pädagogiken,<br />

legt aber ihren Schwerpunkt auf „das Verhältnis von Pädagogik und Migr<strong>at</strong>ion im historischen und gegenwärtigen<br />

gesellschaftlichen Kontext. Ausgangspunkt für entsprechende Forschung und Analysen bilden<br />

(de-)konstruktivistische Ansätze, die Phänomene, wie ethnisierte Differenz und Heterogenität, Zugehörigkeit,<br />

Diskriminierung, Rassismus und die damit im Zusammenhang stehenden Benachteiligungs- und<br />

Privilegierungsverhältnisse reflektieren. Neben der Fokussierung von Ethnizität, deren Herstellung im<br />

Zusammenhang mit Migr<strong>at</strong>ionsphänomenen eine besondere Bedeutung zukommt, findet auch ihre Verschränkung<br />

mit anderen Differenzlinien Berücksichtigung.“140<br />

Die migr<strong>at</strong>ionspädagogische Perspektive wurde vorrangig vom Erziehungswissenschaftler und Psychologen<br />

Paul Mecheril entwickelt und 2004 mit seinem Buch „Migr<strong>at</strong>ionspädagogik“ vorgestellt, das 2010 unter<br />

Mitarbeit namhafter Soziolog_innen/Pädagog_innen wie Maria do Mar Castro Varela oder Inci Dirim in<br />

einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt wurde141.<br />

Migr<strong>at</strong>ionspädagogik findet zunehmend Eingang in die akademische Ebene wie in die interkulturelle Szene,<br />

Lehrstühle und Lehrgänge für Migr<strong>at</strong>ionspädagogik werden eingerichtet, die Texte gelten mittlerweile<br />

als Grundlagenliter<strong>at</strong>ur auch im Feld der „Interkulturellen Pädagogik“.<br />

Wichtige Erkenntnisse und Anliegen der Migr<strong>at</strong>ionspädagogik:<br />

• Kritik am defizitorientierten Blick auf „Migrant_innen“: Gegenüber dem gerade in der Bildungspolitik<br />

herrschenden Blick auf Migrant_innen als beispielsweise „bildungsfern“ und „unterqualifiziert“ präsentiert<br />

Mecheril et al. Migr<strong>at</strong>ion als „bedeutender Motor gesell schaftlicher Veränderung und Modernisierung“<br />

und Migrant/innen als „Akteure … , die neues Wissen, Erfahrungen, Sprachen und Perspektiven in<br />

unterschiedliche soziale Zusammenhänge einbringen und diese mitgestalten“ (S. 8 142 ).<br />

• Kritik am problemorientierten Blick auf Migr<strong>at</strong>ion: Migr<strong>at</strong>ion stellt in n<strong>at</strong>ionalsta<strong>at</strong>lich verfassten, sich<br />

als „demokr<strong>at</strong>isch“ verstehende Gesellschaften lediglich insofern ein „Problem“ dar, als sie die „Grenzen<br />

der Zugehörigkeit“ sichtbar macht und in Frage stellt. Migr<strong>at</strong>ion als „universelle Praxis, (als) allgemeine<br />

menschliche Handlungsform“ (S. 7) trifft auf die „hartnäckige Weigerung politischer Entscheidungsträger,<br />

diese Migr<strong>at</strong>ionsrealität anzuerkennen“ (S. 8). Damit verschiebt sich der Problemfokus von „den<br />

Migrant_innen“ auf – grob gesagt – die ökonomisch, politisch, sozial und kulturell geformten Migr<strong>at</strong>ionsregime.<br />

Es „kann davon gesprochen werden, dass Deutschland ‚ein Land mit Migr<strong>at</strong>ionshintergrund‘<br />

ist, das Identitätsschwierigkeiten, Schwierigkeiten also mit sich selbst h<strong>at</strong>.“ (S. 12) Die eben zitierte „Weigerung<br />

die Migr<strong>at</strong>ionsrealität anzuerkennen“ war vor allem ein Charakteristikum des Migr<strong>at</strong>ionsregimes<br />

der 90er Jahre und wird langsam um einen migr<strong>at</strong>ionspolitischen Ans<strong>at</strong>z ergänzt, der Migrant_innen<br />

unter demographischen und humankapitalzentrierten Perspektiven als wertvolle Ressource erkennt.<br />

• Kritik an der Kulturalisierung: Die Migr<strong>at</strong>ionspädagogik wirft bestimmten Richtungen Interkultureller<br />

Pädagogik vor, sozio-kulturelle bzw. sozioökonomische Differenzen zu kulturalisieren und zu essentialisieren<br />

(siehe deren Bezeichnung). Demgegenüber fordert die Migr<strong>at</strong>ionspädagogik in dekonstruktivis-<br />

140 Arbeitsgruppe Migr<strong>at</strong>ionspädagogik und Kulturarbeit (2013)<br />

141 Mecheril, Paul; Castro Varela, Maria do Mar; Dirim, İnci; Kalpaka, Annita; Melter, Claus (Hg.) (2010): Migr<strong>at</strong>ionspädagogik.<br />

Weinheim [u.a.]: Beltz (Bachelor-Master).<br />

142 Diese und die folgenden Seitenzahlen beziehen sich auf: Mecheril et al. (2010).<br />

Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />

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