Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at
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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />
Das der Erarbeitung des Curriculums zugrunde liegende Verständnis von Kompetenz h<strong>at</strong> sich deshalb eher<br />
an gegenwärtig weniger beachteten Traditionslinien des Kompetenz begriffs orientiert, die den begrifflichen<br />
Raum offener halten und damit auch anschlussfähiger an Diskussionslinien in der Erwachsenenpädagogik<br />
sind.<br />
Der Linguist Noam Chomsky, der zu einer ersten Konjunktur des Begriffs maßgeblich beigetragen h<strong>at</strong>, unterschied<br />
zwischen Kompetenz als allgemeiner Sprachfähigkeit (Sprachwissen) und Performanz als individueller<br />
Sprachverwendung (Sprachkönnen). Performanz als situ<strong>at</strong>ive Umsetzung einer Kompetenz ist auch<br />
in den aktuellen Kompetenzmodellen ein zentraler Faktor, allerdings verengt, indem sich Performanz-Situ<strong>at</strong>ionen<br />
letztlich auf Standardüberprüfung reduzieren.<br />
In den 60er und 70er Jahren lässt sich mit Reichenbach eine Phase des „Kompetenzidealismus“ feststellen,<br />
dessen damalige Attraktivität u.a. im anti-behavioristischen Selbstverständnis dieser Ansätze zu sehen ist:<br />
Welt wird hier in Interaktion mit der Umwelt konstruiert, als Leistung individueller und sozialer Aktivität<br />
(kulturelle Kompetenz bei Lévi-Strauss, kognitive Kompetenz bei Piaget), mit dem Kompetenzbegriff einher<br />
geht ein implizites Modell des Sozialen, der Kommunik<strong>at</strong>ion, der Interaktion und des Subjekts.82<br />
In der deutschsprachigen Sozialwissenschaft wird der Terminus durch die „kommunik<strong>at</strong>ive Kompetenz“<br />
von Jürgen Habermas bekannt, die den „Selbsterzeugungsprozess“ des Menschen grundlagentheoretisch<br />
ins Zentrum stellt.<br />
Heinrich Roth h<strong>at</strong> 1971 den Begriff Kompetenz in die Pädagogik eingeführt. Höchstes Bildungsziel ist für<br />
Roth moralische Mündigkeit zur Selbstbestimmung der Person. Mündigkeit bedeutet für Roth aber nicht<br />
die Entwicklung geistiger Kräfte, sondern ist für ihn Ausdruck „kritisch-verantwortungs voller“ und „kritisch-kre<strong>at</strong>iver“<br />
Handlungsfähigkeit:<br />
„Mündigkeit, wie sie von uns verstanden wird, ist als Kompetenz zu interpretieren, und zwar in<br />
einem dreifachen Sinne: als Selbstkompetenz (self competence), d.h. als Fähigkeit, für sich selbst<br />
verantwortlich handeln zu können, als Sachkompetenz, d.h. als Fähigkeit, für Sachbereiche<br />
urteils- und handlungsfähig und damit zuständig sein zu können, und als Sozialkompetenz, d.h.<br />
als Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- oder Sozialbereiche urteilsund<br />
handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können.“ 83<br />
In der Diskussion dessen, welche Kompetenzen Pflichtschüler_innen haben sollten, wurden auch das<br />
Konzept von Oskar Negt und seine <strong>Überlegungen</strong> zu gesellschaftlichen (Schlüssel-) Kompetenzen<br />
herangezogen:<br />
„Was müssen Menschen wissen, damit sie die heutige Krisensitu<strong>at</strong>ion begreifen und ihre Lebensbedingungen<br />
in solidarischer Kooper<strong>at</strong>ion mit anderen verbessern können?“84<br />
Zusammenhänge zu erkennen, das Verhältnis zwischen Allgemeinen und Besonderen zu begreifen, ist für<br />
Negt Voraussetzung für Mündigkeit. „Zusammenhang stiften“ ist auf gewisse Weise eine Metakompetenz,<br />
die die für Negt gesellschaftlich wesent li chen Kompetenzen (Identitätskom petenz – Interkulturelle Kompetenz,<br />
Technologische Kompetenz, Gerechtigkeitskompetenz, Ökonomische Kompetenz, Ökologische<br />
82 Reichenbach 2006, S. 73, unter Bezugnahme auf Basil Bernstein 1996<br />
83 Roth 1971, S. 180<br />
84 Negt 2002, S. 218<br />
Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />
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