Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at
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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />
ge Vorgaben und müssen selbstorganisiert zu einer Lösung finden. Kompetenzen und Wissen bringen sie<br />
bereits mit.<br />
Die Rolle der Lehrenden besteht nicht mehr in der Inform<strong>at</strong>ionspräsent<strong>at</strong>ion und Wissensver mitt lung,<br />
sondern Lehrende übernehmen die Rolle von Coachs, Mentor_innen oder Lernbegleiter_innen, die eigenverantwortliche<br />
und soziale Lernprozesse unterstützen. Den Lehrenden obliegt es, eine Atmosphäre zu<br />
schaffen, in der Lernen möglich ist, was dem Aufbau einer wertschätzenden Beziehung zu den Lernenden<br />
eine zentrale Bedeutung zukommen lässt. Diese <strong>Überlegungen</strong> fasst Rolf Arnold unter dem Begriff der „Ermöglichungsdidaktik“,<br />
der ausdrückt, dass Lernen nicht gesteuert, sondern eben nur „ermöglicht“ werden<br />
kann.<br />
Im gemäßigten Konstruktivismus wird Lernen „als aktiver und konstruktiver, situ<strong>at</strong>ions- und kontextgebundener,<br />
selbstgesteuerter sowie sozialer Prozess“161 verstanden, was für die Gestaltung konstruktivistischer<br />
Lernumgebungen die Einhaltung folgender Prinzipien erfordert:<br />
• „Authentizität und Situiertheit: Im Umgang mit realistischen Problemen und authentischen Situ<strong>at</strong>ionen<br />
wird das zu erwerbende Wissen in einen Rahmen und Anwendungskontext gestellt.<br />
• Multiple Kontexte: Durch solche bleibt Wissen nicht nur auf einen Kontext fixiert, sondern kann auf<br />
andere Problemstellungen übertragen werden.<br />
• Multiple Perspektiven: Den Lernenden werden Inhalte unter variierenden Aspekten und von verschiedenen<br />
Standpunkten aus präsentiert, wodurch die flexible Anwendung von Wissen gefördert<br />
wird.<br />
• Sozialer Kontext: Kooper<strong>at</strong>ives Lernen und Problemlösen zwischen Lernenden sowie die Zusammenarbeit<br />
mit Experten werden gefördert.“162<br />
So populär konstruktivistische Ansätze gegenwärtig sind, so sehr stehen sie auch in der Kritik insbesondere<br />
derjenigen pädagogischen Richtungen, die sich einer Kritischen Theorie verpflichtet fühlen. Dabei geht<br />
es vor allem um die Konzeption von „Wirklichkeit“ im Konstruktivismus. Wird diese nur mehr als „Illusion“<br />
(„Illusion des Faktischen“ nach Arnold) gesehen, verliert jede Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen ihren<br />
Gegenstand.<br />
Als zentrales Defizit wird aus der Perspektive Kritischer Theorie die fehlende Theoretisierung der Vermittlung<br />
zwischen Subjekt und gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen. Geht der gesell schaft liche Bezug<br />
von „Bildung“ verloren, dann auch die damit intendierten Ziele von „Mündigkeit“ und „Emanzip<strong>at</strong>ion“, die<br />
eben nur in Bezug auf Gesellschaft Sinn machen.<br />
In Bezug auf bildungspolitische und pädagogische Fragen wirkt sich das in der Gefahr einer Beliebigkeit<br />
von Bildungsinhalten aus, die sich nur mehr an den individuellen Interessen (soweit sie sich feststellen lassen)<br />
ableiten lassen. Mit der Betonung von Autonomie und Selbstverantwortlich keit ergeben sich schließlich<br />
Schnittstellen zu einem neoliberalen Welt- und Menschenbild, das das Subjekt als losgelöst von gesellschaftlichen<br />
Kontexten als „seines eigenen Glückes Schmied“ versteht.<br />
Als Verdienst des (gemäßigten) Konstruktivismus kann jedoch gelten, dass er – neben anderen subjektorientierten<br />
Theorien – für die Individualität und Einzigartigkeit des lernenden Subjekts sensibilisiert und die<br />
Unzulänglichkeit althergebrachter Vorstellungen einer „Instruktionsdidaktik“ aufgezeigt h<strong>at</strong>. In vielem, wie<br />
die oben zitierten Prinzipien für konstruktivistische Lernumgebungen deutlich machen, gibt es auch Berührungspunkte<br />
zu reformpädagogischen Ansätzen (vgl. u.a. den folgenden Abschnitt 5.2.4.)<br />
161 Breuer 2000, S.118f<br />
162 Ebd.<br />
Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />
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