Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at
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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />
Der Diskurs um dieses Problem h<strong>at</strong> in der Geschichte des Fachs verschiedenste Ausformungen erlebt, und<br />
auch die gegenwärtig verhandelten Konzepte von „Inklusion“, „Pädagogik der Vielfalt“, Intersektionalität<br />
etc. unterscheiden sich hinsichtlich der Reichweite ihrer Programme, den dahinterliegenden sozialwissenschaftlichen<br />
wie auch pädagogischen Annahmen, dem Ausmaß, in dem pädagogische Fragen an sozialwissenschaftliche<br />
Theoriebildung inklusive Bildungstheorien gekoppelt werden usw. Neben der Frage,<br />
warum es überhaupt zu Ausschlüssen im Bildungssystem kommt, wird darüber diskutiert, welcher Differenzk<strong>at</strong>egorie<br />
welche Bedeutung in der Herstellung sozialer Unterschiede zukommt und wie sich diese<br />
im Bildungssystem niederschlägt: Ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht gleichermaßen<br />
von Bedeutung wie das Geschlecht? Ist das Vorliegen einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung<br />
gleichermaßen von Relevanz wie ein „Migr<strong>at</strong>ionshintergrund“? Lassen sich soziale K<strong>at</strong>egorien mit solchen<br />
wie „Begabung“ oder „Kompetenzen“ in eine, wie auch immer geartete, Verbindung bringen? In welchem<br />
Ausmaß lässt sich das Bildungssystem in Hinblick auf mehr Chancengerechtigkeit umgestalten und wie ist<br />
der Weg dorthin? Wie wird der Zusammenhang von Bildungssystem und gesamtgesellschaftlichem System<br />
konzipiert?<br />
Gemeinsam ist den Differenzpädagogiken der Grundgedanke, dass Heterogenität ein relevantes gesellschaftliches<br />
Phänomen ist, das in der Pädagogik entsprechend berücksichtigt werden müsse und die<br />
Kritik, dass dies gegenwärtig zu wenig bzw. in einer Weise geschehe, die Exklusion verstärkt. Allgemein gesprochen<br />
gelten als Differenzpädagogiken „Konzepte und Programme, die sich in ihren Selbstbegründungen<br />
auf sozial konturierte Differenzaspekte ihrer Adress<strong>at</strong>innen beziehen und mit dieser Differenz spezifische<br />
pädagogische Problemstellungen verbinden.“119<br />
Gemeinsam ist den Differenzpädagogiken neben diesem Grundgedanken auch der bildungspolitische<br />
Kontext, dem sie ihre gegenwärtige Hochkonjunktur zu verdanken haben – der PISA-Schock120, genauer<br />
gesagt die durch die intern<strong>at</strong>ional vergleichenden Bildungsstudien (PISA, PIRLS, TIMMS, TALIS) Ende der<br />
90er Jahre verstärkt geführt Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der n<strong>at</strong>ionalen Ökonomien und der<br />
Rolle des Bildungssystems darin. Der Heterogenitätsdiskurs in der Pädagogik setzt – in einer historisch<br />
weitreichenderen Perspektive – auf demjenigen der Sozialwissenschaften auf, für die „Inklusion – Exklusion“<br />
immer schon eines ihrer konstituierenden Themen war. Mit dem Einzug postmoderner Theorien wurden<br />
Pluralisierung und Differenz zu zentralen Aspekten der Analyse gesellschaftlicher Wirklichkeit.<br />
Im Folgenden wird auf zwei Differenzpädagogiken genauer eingegangen: Zum einen die Inklusionspädagogik,<br />
da mit der R<strong>at</strong>ifizierung der UNO-„Behindertenrechtskonvention“ und des „UNESCO-Programms für<br />
Inklusive Bildung“ ein gewisser Handlungsdruck für die österreichische Bildungspolitik entstand; zum anderen<br />
die Migr<strong>at</strong>ionspädagogik, die in Hinblick auf die Zielgruppe des Pflichtschulabschlusses notwendige<br />
Erkenntnisse liefert.<br />
Die Grundgedanken des Intersektionalitätsans<strong>at</strong>zes in der Pädagogik erläutert der Leitfaden „Gender und<br />
Diversity in Lernprozessen“ 121 , der von Birgit Waltenberger im Rahmen des Projekts „Erwachsenengerechter<br />
Pflichtschulabschluss“ erstellt wurde. Dort werden auch Kriterien zur Gestaltung von Gender und Diversity<br />
gerechten Lernarrangements beschrieben und „Checklisten“ in Form von Reflexionsfragen zu einzelnen<br />
Aspekten des Themas „Gender und Diversity“ zur Verfügung gestellt.<br />
119 Emmerich/Hormel 2013, S. 9<br />
120 Vgl. Emmerich/Hormel 2013, S. 9; Trautmann/Wischer 2011, S.7<br />
121 Waltenberger 2013<br />
Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />
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