Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at
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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />
aber durchaus helfen, das Gefühl der Überforderung angesichts der neuen Abschlussform PSA - der Kompetenzorientierung,<br />
der neuen Fächerkombin<strong>at</strong>ionen und der Diskussionen um „Neue Lernkulturen“ - in<br />
Schranken zu halten. Didaktische Grundsätze sind in diesem Sinn Fernziele, denen man sich nur in kleinen<br />
Schritten annähern kann, dabei immer wieder Rückschritte und Hindernisse erleben wird, womit kleine<br />
Bewegungen in die richtige Richtung schon als Erfolge verbucht werden sollten.<br />
6.1. Teilnehmer_innenorientierung und Partizip<strong>at</strong>ion<br />
Teilnehmer_innenorientierung stellt einen der zentralen Begriffe in der <strong>Erwachsenenbildung</strong> dar und wurde<br />
insbesondere in der Zeit der Bildungsreform der 60er und 70er Jahre eingesetzt „um die Besonderheit<br />
der als Praxis und Wissenschaft neu etablierten <strong>Erwachsenenbildung</strong> gegenüber Schule und Hochschule<br />
zu legitimieren.“181<br />
Oft wird der Begriff synonym mit „Zielgruppenorientierung“ verwendet, was nach Holm nicht ganz korrekt<br />
ist: „Während die Orientierung an Zielgruppen im Vorfeld von Lehr-/Lernprozessen st<strong>at</strong>tfindet und wesentlich<br />
die Erstellung und Beschreibung von Programmangeboten betrifft, ist Teilnehmerorientierung (sic!)<br />
im Kontext der unmittelbaren Planung, Durchführung und Überprüfung der Lehr-/Lernprozesse selbst zu<br />
sehen.“182 Zielgruppenorientierung betrifft also die allgemeinere Ebene einer Programmplanung und Teilnehmer_innenorientierung<br />
die konkretere Ebene der spezifischen Gruppe von Lernenden.<br />
Der Begriff meint im Kern, dass nicht ein vorgegebener Lernstoff, vorgegebene Bildungsziele oder Bildungsstandards,<br />
sondern deren Bedeutung für die Lernenden zum Ausgangspunkt <strong>didaktische</strong>r <strong>Überlegungen</strong><br />
werden. Damit in Zusammenhang steht der Begriff der „Lebensweltorientierung“, der verlangt,<br />
dass die Lerninhalte an der Lebenswelt der Teilnehmer_innen zu orientieren sind. „Lebensweltorientierung“<br />
meint dabei weniger die individuellen Lernvoraussetzungen, Lernerfahrungen oder Erwartungshaltungen<br />
der Lernenden, sondern in erster Linie deren soziokulturell und milieuspezifisch geprägten Denkund<br />
Verhaltensschem<strong>at</strong>a, Erfahrungen, Kenntnisse und Werthaltungen. Auch eine „themenbezogene<br />
Reflexion der Lebensgeschichte und der Alltagssitu<strong>at</strong>ion mit Blick auf Denk- und Handlungsoptionen“183<br />
der Teilnehmenden ist Bestandteil der Teilnehmer_innenorientierung.<br />
Da die Bedeutung eines Lernstoffs oder Lernziels für die Lernenden nur von ihnen selber bestimmt werden<br />
kann, ist Teilnehmer_innenorientierung auch ohne den Begriff der Partizip<strong>at</strong>ion nicht zu denken, Teilnehmer_innenorientierung<br />
beinhaltet auch, das Verhältnis Lehrende-Lernende als dialogischen Prozess<br />
zu sehen.<br />
Der partizip<strong>at</strong>ive Charakter wird durch Formen des kooper<strong>at</strong>iven Lernens (Tandems, Lern gruppen usw.)<br />
unterstützt, die die sozialen Dimensionen des Lernprozesses betonen. Damit kommen nicht nur so unspektakuläre<br />
Faktoren wie Spaß am Lernen dazu, es finden auch Prozesse des Aushandelns st<strong>at</strong>t, die neben<br />
der Förderung sozialer Kompetenzen auch die Auseinandersetzung mit den Inhalten vertiefen und unterschiedliche<br />
Perspektiven einbringen können. Die Vermittlung von Individuum und Gesellschaft h<strong>at</strong> hier<br />
ihren unmittelbaren Anknüpfungspunkt. 184<br />
181 Schrader 2010<br />
182 Holm 2012, S 4f. Wichtig ist diese Unterscheidung insofern, als gegenwärtig die Erkenntnisse aus den Diskussionen um<br />
„Zielgruppen“ verloren zu gehen scheint, die in den 80er und 90er Jahren heftig geführt wurden (vgl. Lindmeier 2003, S 28)<br />
183 Holm 2012, S 11<br />
184 Weitere Anregungen zu diesem Aspekt können der Diskussion zu Community Educ<strong>at</strong>ion als Zusammenführung von Bildungsund<br />
Gemeinwesenarbeit entnommen werden, vgl. Wagner et al 2013<br />
Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />
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