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Pädagogisch-didaktische Überlegungen - Erwachsenenbildung.at

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<strong>Pädagogisch</strong>-<strong>didaktische</strong> <strong>Überlegungen</strong><br />

In der Idealvorstellung eines partizip<strong>at</strong>iven, teilnehmer_innenorientierten Unterrichts entscheiden die Lernenden<br />

selber über Themen, Unterrichtsinhalte, Ziele und Methoden oder sie bestimmen sie zumindest<br />

mit, wobei diese Mitbestimmung nicht auf eine einmalige Lernzieldiskussion reduziert werden darf, sondern<br />

den gesamten Lehr-/Lernprozess bestimmt. Die Mitbestimmung ist daher bereits in der Konzeption<br />

des Lehr-/Lernprozesses miteinzubeziehen, die entsprechend offen gehalten werden muss.<br />

Zum teilnehmer_innenorientierten Lehrstil gehören Haltungen und Fähigkeiten wie Emp<strong>at</strong>hie, Aktive Gesprächsführung,<br />

Moder<strong>at</strong>ion, Konfliktfähigkeit, Konfliktarbeit, Selbstreflexionsfähigkeit usw. Die Ansprüche<br />

an Lehrenden sind also sehr hoch.<br />

In der Praxis lässt sich der beschriebene Idealzustand immer nur teilweise erreichen, weil der Selbstbestimmung<br />

n<strong>at</strong>ürlich Grenzen gesetzt sind. Einige dieser Grenzen werden im Folgenden aufgezählt – sie boten<br />

jede für sich Anlass für ausführliche und langjährige Diskussionen in der <strong>Erwachsenenbildung</strong>:<br />

»»<br />

Nicht alle Teilnehmer_innen in der Lage oder willens sind ihre Interessen zu artikulieren, und nicht<br />

alle Teilnehmer_innen sich auf einen selbstbestimmten Unterricht einlassen wollen.<br />

»»<br />

Eine schlichte Orientierung an den Wünschen der Lernenden reicht nicht aus, wie u.a. Tietgens formuliert:<br />

„Eine unreflektierte Anpassung an die Wünsche von Teilnehmern löst noch keine Bildungsprozesse<br />

aus, weil zum Lernen auch das Überwinden von Widerständen gehört (und) … jede Art von<br />

Lernhilfe auch und wenn sie sich emanzip<strong>at</strong>orisch geriert, mit Intentionen verbunden ist, die nicht<br />

selbstverständlich auch die der Lernenden sind.“185<br />

»»<br />

Die Orientierung an der „Lebenswelt“ der Lernenden ist ebenfalls nicht unproblem<strong>at</strong>isch, denn Themen,<br />

die lediglich um Bekanntes kreisen, können den Horizont der Lernenden auch verengen. Eine<br />

sehr scharfe Kritik der Lebensweltorientierung wird erwartungsgemäß aus konstruktivistischer Perspektive<br />

formuliert, etwa von Rolf Arnold, der meint, dass die Teilnehmer_innen in einem solchen<br />

Setting um ihr Bildungserlebnis betrogen würden, weil ihnen st<strong>at</strong>t neuer Perspektiven und neuem<br />

Wissen nur das Verharren im eigenen Erfahrungshorizont geboten werde.<br />

»»<br />

Auch in Hinblick auf die institutionellen Ebenen stößt das Prinzip der Teilnehmer_innenorien tierung<br />

auf enge Grenzen, gerade in Zeiten der Ökonomisierung der Bildung, in denen Abschlussquoten und<br />

die Erreichung von Bildungsstandards die Programmplanung weitgehend determinieren. 186<br />

In der gelebten Realität dürfte auch in der <strong>Erwachsenenbildung</strong> nicht „Teilnehmer_innen orien tierung“,<br />

sondern ein herkömmliches Unterrichtsprinzip am Wirken sein, nämlich die Orientierung am „Stoff“ st<strong>at</strong>t<br />

an den Lernenden. Alle abschlussorientierten Angebote der <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />

stehen im Prinzip vor dem Dilemma, dass „Erfolge“ produziert werden müssen, in geringerer Zeit als im<br />

Schulsystem, aber mit vergleichbaren Zielniveaus.<br />

Schrader konst<strong>at</strong>iert, dass Lehrkräfte der <strong>Erwachsenenbildung</strong> sich bei der Planung, Gestaltung und Evalu<strong>at</strong>ion<br />

von Lehr-Lernprozessen nicht ausschließlich, vermutlich nicht einmal primär am (immer im Plural<br />

anwesenden) Teilnehmer orientieren, sondern eher am „Stoff“ und an dem, was sie als ihr professionelles<br />

Mand<strong>at</strong> und ihre professionelle Lizenz betrachten.“187<br />

185 Tietgens 1981, S. 182. In: Ludwig (2005), S. 75.<br />

186 Nicht zuletzt kann man sich fragen, inwieweit mit der Konstruktion von Zielgruppen über diverse Programm<strong>at</strong>iken nicht<br />

neue Scheuklappen geschaffen werden, es werden K<strong>at</strong>egorien definiert, die als Ordnungssysteme wirken, ohne zu<br />

fragen, ob diese mit der Realität zu tun haben (steigende Diversität) und ob die Verengung auf Zielgruppen nicht neue<br />

Ausschließungsmechanismen produziert.<br />

187 Schrader 2010<br />

Handreichung zum Pflichtschulabschluss<br />

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