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UNSER LEBEN<br />
FOTOS<br />
Astrid Prangel<br />
„Würdest s<br />
du mich<br />
pflegen? “<br />
Gemeinsam alt<br />
werden, das wünscht<br />
sich jedes Paar. Doch<br />
was ist, wenn einer<br />
pflegebedürftig wird?<br />
Welche Qualität hätte<br />
dann das Leben?<br />
Monika Bröcker-Garbers<br />
und ihren Mann Norbert<br />
beschäftigt dieses<br />
Thema nicht erst seit<br />
dem Selbstmord<br />
von Gunter Sachs.<br />
MONIKA BRÖCKER-GARBERS Norbert,<br />
erinnerst du dich noch an die Reportage<br />
neulich im Fernsehen, über Koma-<br />
Patienten. Das Thema geht mir seitdem<br />
nicht mehr aus dem Kopf. Was würdest<br />
du tun, wenn ich im Koma läge, es keine<br />
Aussicht auf Besserung gäbe?<br />
NORBERT GARBERS Ich glaube, ich<br />
wäre erst mal völlig überfordert. Ich<br />
würde mit den Ärzten reden, mir Rat<br />
holen. Und natürlich auch mit unseren<br />
Kindern sprechen. Sollte es nur einen<br />
winzigen Funken Hoffnung geben, dass<br />
du irgendwann wieder ansprechbar bist,<br />
dass ich mit dir wieder ein gemeinsames<br />
Leben führen könnte, ich würde alles<br />
medizinisch Mögliche in die Wege leiten<br />
lassen, auch alternative Verfahren.<br />
MONIKA BRÖCKER-GARBERS Norbert,<br />
sollte ich hirntot sein, schaltet bitte die<br />
Geräte nach zwei Wochen ab.<br />
NORBERT GARBERS Im Moment ist es<br />
unvorstellbar für mich, solch eine Entscheidung<br />
zu treffen. Aber ich kann dich<br />
verstehen. Wenn ich nicht mehr denken<br />
kann, will ich auch nicht mehr leben.<br />
Das gilt nicht nur fürs Koma. Würde mir<br />
irgendwann ein Arzt sagen: „Herr Garbers,<br />
Sie sind krank und mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
werden Sie bald völlig unbeweglich<br />
sein oder geistig umnachtet<br />
und völlig auf die Hilfe anderer angewiesen“,<br />
dann wünsche ich mir die Stärke,<br />
zu sagen: „Das war’s. Ich hatte ein<br />
tolles Leben, nun reicht es.“<br />
Völlig unabhängig von ethischen oder<br />
religiösen Gesichtspunkten finde ich<br />
es stark, wenn jemand den Mut hat,<br />
seinem Leben in einer aussichtslosen<br />
Situation selbst ein Ende zu setzen, so<br />
wie Gunter Sachs.<br />
MONIKA BRÖCKER-GARBERS Und was<br />
wäre mit mir? Mit meinen Gefühlen und<br />
denen der Kinder? Schon allein die Vorstellung,<br />
dich dann so zu finden ...<br />
NORBERT GARBERS Ich würde mir ja<br />
keine Pistole anschaffen. So aus dem<br />
Leben zu gehen, finde ich egoistisch.<br />
Aber eine Tablette von jemandem zu<br />
nehmen, der Sterbehilfe leistet, das kann<br />
ich mir vorstellen. Wenn möglich, würde<br />
ich vorher noch viele Gespräche mit<br />
dir und den Kindern führen. Und, ich<br />
glaube, dann erwarten, dass du diesen<br />
letzten Willen von mir mitträgst.<br />
MONIKA BRÖCKER-GARBERS Ich weiß<br />
nicht, ob ich das wirklich könnte.<br />
NORBERT GARBERS Ich würde ja nicht<br />
nur mir, sondern auch dir viel Leid ersparen<br />
wollen. Zum Beispiel mit anzusehen,<br />
wie ich immer mehr verfalle, bis<br />
nichts mehr von mir übrig bleibt.<br />
MONIKA BRÖCKER-GARBERS Mir das<br />
Leben zu nehmen, um mir langes Leiden<br />
zu ersparen, das wäre für mich keine<br />
Lösung. Ich glaube ganz fest daran,<br />
dass man bis zur letzten Sekunde Glück<br />
empfinden oder sich an Dingen erfreuen<br />
kann. Wie oft liest man, dass<br />
Schwerstkranke oder Schwerbehinderte<br />
– also Menschen, von denen wir denken,<br />
dass ihr Leben mehr Qual als Freude<br />
ist – noch Lebensfreude empfinden.<br />
96 10 / 2011