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vielleicht sollte ich das mal meinen Mann<br />
fragen – vielleicht war ich ja doch etwas<br />
gereizt, hin und wieder. Auch über die<br />
nächste Frage muss ich genauer nachdenken:<br />
Habe ich etwas aufgegeben, weil<br />
ich es nicht mehr schaffe? Ich wüsste<br />
nichts. Im Gegenteil: Am liebsten würde<br />
ich noch viel mehr machen, aber die Zeit<br />
fehlt. Er lächelt. Seine nächste Frage verunsichert<br />
mich: Komme ich mit allem in<br />
meinem Alltag zurecht? Himmel, ich bin<br />
64, da geht schon manches etwas langsamer,<br />
der Haushalt zum Beispiel. Aber<br />
ich fühle mich noch nicht überfordert.<br />
Kaum habe ich den Satz ausgesprochen,<br />
muss ich an meine frühere Kollegin denken.<br />
Ich habe sie oft besucht, als sie schon<br />
dement war. Stets beteuerte sie: „Es ist<br />
alles kein Problem, ich habe alles im<br />
Griff.“ Dabei konnte sie nicht mal mehr<br />
den Fernseher ohne Hilfe einschalten.<br />
Sich selbst richtig einschätzen, früh genug<br />
in sich hinein horchen, Veränderungen<br />
feststellen. So wie ich meine Vergesslichkeit<br />
– das würden die wenigsten<br />
machen, erklärt Dr. Marrakchi. Denn leider<br />
ist die Krankheit Demenz immer noch<br />
stark tabuisiert und Betroffene versuchen<br />
so lange als möglich, es zu verheimlichen.<br />
Deshalb lobt er, dass ich aus eigenem Antrieb<br />
gekommen bin. Die meisten würden<br />
von ihrem Hausarzt, Psychiater oder<br />
Wie bei einer Prüfung<br />
einem anderen Facharzt – zu ihm überwiesen.<br />
In diesen Fällen besteht dann<br />
bereits ein Verdacht auf Demenz.<br />
Den Verdacht Demenz – ich will ihn jetzt<br />
endgültig abschütteln. Setze mich kerzengerade<br />
hin, bereit für die nächsten<br />
Aufgaben des Tests. Dr. Marrakchi legt<br />
einen Ordner mit Blättern vor mich auf<br />
den Tisch. Auf den Seiten stehen einzelne<br />
Wörter, die ich laut lesen soll. Dann<br />
wird der Ordner geschlossen und ich muss<br />
die Wörter wiederholen. Das ist nicht so<br />
einfach, wie es zuerst aussieht. Immerhin<br />
sind es zehn Begriffe! Tisch, Blume,<br />
Vogel und ...? Ich spüre, wie mein Herz<br />
plötzlich schneller schlägt, die Hände<br />
feucht werden. Hoffentlich lässt mich<br />
meine Konzentration jetzt nicht im Stich!<br />
Schon nach sechs Wörtern komme ich<br />
ins Stocken. Bin auf einmal total blockiert<br />
– wie bei einer Prüfung in der Schule.<br />
Mein Hals wird trocken, ich atme flach.<br />
Dr. Marrakchi muntert mich auf: „Sie können<br />
das! Ich weiß genau, Ihnen fällt noch<br />
mehr ein. <strong>Endlich</strong>, nach einer gefühlten<br />
Ewigkeit, sprudeln doch noch die letzten<br />
Wörter aus mir heraus. Zum Glück. Noch<br />
drei Mal legt mir der Doktor Seiten mit<br />
den gleichen Wörtern vor, aber sie erscheinen<br />
in unterschiedlicher Reihenfolge.<br />
Mit jedem Mal wiederhole ich sie flüssiger.<br />
Er nickt zufrieden.<br />
Der Kopf, leer wie ein Ballon<br />
Als Nächstes soll ich Zeichnungen anschauen,<br />
sagen, was ich sehe: Baum,<br />
Zahnbürste, Haus. Dazwischen eine<br />
Minute lang Tiere aufzählen, die mir einfallen.<br />
Tiere – oje. Hund, Katze, Elefant,<br />
Fisch, Vogel und – ja was noch? Eine Minute<br />
kann endlos dauern. Das kann doch<br />
nicht so schwer sein! Aber ich setze mich<br />
selbst unter Druck, und mein Kopf ist<br />
plötzlich leer wie ein Luftballon.<br />
Erleichtert widme ich mich der nächsten<br />
Aufgabe: geometrische Figuren abzeichnen.<br />
Ich habe immer gern gemalt. Mit dem<br />
Stift in der Hand kehrt meine Sicherheit<br />
zurück. Aber später muss ich die Figuren<br />
noch mal aus dem Kopf zeichnen. Das ist<br />
schon schwieriger. Und ich glaube Marrakchi<br />
sofort, dass Menschen mit Demenz<br />
an einigen dieser Aufgaben scheitern.<br />
Nach einer knappen Stunde ist der Test<br />
beendet – und ich erschöpft. Wie habe<br />
ich abgeschnitten? Es ist bestimmt mehr<br />
als normale Vergesslichkeit. Doch ich darf<br />
aufatmen. Der Doktor gibt Entwarnung.<br />
Er muss zwar noch eine konkrete Auswertung<br />
erstellen – die kann ich in etwa<br />
einer Woche beim Hausarzt einsehen.<br />
Nur vergesslich, zum Glück!<br />
Doch fest steht: Es gibt keinen Hinweis<br />
auf eine beginnende Demenz. Meine Vergesslichkeit<br />
bewegt sich im normalen<br />
Rahmen. Dass ich Anzeichen von Stress<br />
hatte und mich bei manchen Aufgaben<br />
schwergetan habe, sei völlig normal,<br />
beruhigt er mich. Und ich muss mich<br />
zurückhalten, um ihn nicht vor lauter Erleichterung<br />
zu umarmen.<br />
INTERVIEW<br />
Verdacht auf<br />
Demenz – was<br />
passiert dann?<br />
DR. SASCHA MARRAKCHI<br />
von den Asklepios-Kliniken Hamburg-Barmbek<br />
und Altona erklärt,<br />
wie es nach einem verdächtigen<br />
Testergebnis weitergeht.<br />
Was ermitteln Sie mit dem Test?<br />
MARRAKCHI Wir können kognitive Fähigkeiten<br />
überprüfen, also feststellen, inwieweit<br />
jemand Dinge richtig wahrnimmt,<br />
logisch denken kann, aufnahmefähig ist,<br />
sich erinnert etc. Es gibt aber auch Formen<br />
der Demenz, die sich anders bemerkbar<br />
machen, z. B. durch Sprachprobleme. Andere<br />
können nicht mehr richtig schlafen<br />
oder ändern ihr Verhalten, werden unruhig,<br />
missmutig, aggressiv, misstrauisch oder<br />
pedantisch.<br />
Und wenn ein Verdacht besteht?<br />
MARRAKCHI Dann werden weitere Tests<br />
und klinische Untersuchungen gemacht.<br />
Sie dauern länger, weshalb man dann oft<br />
stationär aufgenommen wird. Auch bildgebende<br />
Verfahren wie eine Tomografie<br />
können die Diagnose erhärten.<br />
Wie wird Demenz dann behandelt?<br />
MARRAKCHI Ist Demenz sicher diagnostiziert,<br />
wird eine individuelle Behandlung<br />
erarbeitet, möglichst mit den Angehörigen.<br />
Es gibt Medikamente, die das Voranschreiten<br />
der Symptome verzögern können. Hilfreich<br />
sind auch Sport, Gespräche, Lesen,<br />
Theaterbesuche, gesunde Ernährung, viel<br />
trinken. Ganz wichtig: kein Gehirnjogging!<br />
Das stresst Demente nur sinnlos.<br />
Hier fi nden Sie Hilfe<br />
• Erste Anlaufstelle bei Verdacht auf<br />
Demenz ist der Hausarzt. Er überweist<br />
in eine Gedächtnis-Sprechstunde<br />
• Adressen nennt auch die Deutsche<br />
Alzheimer Gesellschaft: www.deutschealzheimer.de,<br />
(0 30) 2 59 37 95 14<br />
oder (0 18 03) 17 10 17.<br />
10 / 2011<br />
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