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DAS KENNEN SIE AUCH!<br />
Angelika Euler hat vier Kinder und sechs Enkel und erzählt<br />
jeden Monat aus ihrem alltäglich turbulenten Leben.<br />
Der<br />
Asket<br />
an<br />
meiner<br />
Seite<br />
„Guten<br />
Morgen!“, nicke ich<br />
gut gelaunt nach allen Seiten<br />
und steuere geradlinig<br />
auf das Büfett zu. Es geht<br />
doch nichts über ein üppiges<br />
Frühstück im Urlaub!<br />
Auf meinem Teller türmen<br />
sich Köstlichkeiten: ein<br />
knuspriges Croissant, hausgemachte<br />
Marmelade, Käse,<br />
Mortadella vom Feinsten.<br />
Mmhh! Doch wohin mit<br />
dem Lachs, dem Müsli,<br />
dem leckeren Kompott? –<br />
Ich werde wohl noch ein<br />
zweites Mal gehen müssen.<br />
Schließlich haben wir eine<br />
Stange Geld für dieses<br />
4-Sterne-Hotel am Strand<br />
von Ischia bezahlt. Da will<br />
ich doch nichts auslassen!<br />
Gerade, als ich genüsslich<br />
in mein Croissant beißen<br />
will (herrlich, es ist noch<br />
warm), fällt mein Blick auf<br />
meinen Mann, der eben<br />
vom Büfett zurückkehrt.<br />
Auf seinem Teller liegen<br />
– das ist doch nicht sein<br />
Ernst?! – zwei Scheiben<br />
trockenes Vollkornbrot und<br />
vier kleine Tomaten. Kein<br />
Croissant, keine fette Wurst,<br />
ja nicht einmal ein Rädchen<br />
Butter!<br />
„Hast du keinen Appetit?“,<br />
frage ich gereizt. „Doch,<br />
doch, aber ich muss auf<br />
meine Ernährung achten.“<br />
Lächerlich, nur weil er ein<br />
bisschen Kalk im kleinen<br />
Zeh hat (behauptete neulich<br />
sein Röntgenbild)! Und<br />
deshalb muss er mir jetzt<br />
den Urlaub verderben?<br />
„Na, dann übernimm dich<br />
mal nicht“, spotte ich, in<br />
Wahrheit neidisch auf so<br />
viel Disziplin und Konsequenz.<br />
„Du weißt doch,<br />
tierische Fette fördern das<br />
schlechte Cholesterin und<br />
somit die Verkalkung“,<br />
belehrt er mich – aha, wieder<br />
was gelernt.<br />
Ich wusste nur, dass Fettes<br />
auch fett macht. Und der<br />
lebende Beweis für ungesunde<br />
Ernährung bin natürlich<br />
ich. Jedes Mal, wenn<br />
ich mich zufällig in einer<br />
Glastür spiegele, ziehe ich<br />
erschreckt den Bauch ein<br />
und halte verstohlen eine<br />
Tasche oder das Handtuch<br />
über die Wölbung.<br />
Dabei habe ich alles versucht.<br />
Wie vor jedem Urlaub<br />
versprach ich mir: In<br />
diesem Sommer nimmst du<br />
ab, ernährst dich nur von<br />
Wassermelonen. Wenn, ja<br />
wenn nur mein Magen<br />
nicht alle vier Stunden<br />
nach Nahrung<br />
verlangen<br />
würde. Also<br />
setze ich jetzt auf Bewegung,<br />
schwimme jeden Tag<br />
zielstrebig auf meine gelbe<br />
Boje zu, klammere mich<br />
daran fest und vollführe<br />
ballettartige Übungen wie<br />
seinerzeit Esther Williams<br />
als „badende Venus“! Doch<br />
es hilft nichts, mein Bauch<br />
lässt sich einfach nicht<br />
wegstrampeln.<br />
Wieso schafft Helmut es<br />
nur, so schlank und fesch<br />
daherzukommen? In seiner<br />
knallroten Badehose sieht<br />
er wirklich verdammt gut<br />
aus. (Die hat ihm übrigens<br />
eine Patientin geschenkt.<br />
Finde ich ganz schön frech!<br />
Ich würde meinem Arzt<br />
niemals eine Badehose<br />
schenken! Und schon gar<br />
keine rote!) Jetzt erhebt er<br />
sich, um nochmals zum<br />
Büfett zu gehen. „Oh!<br />
Noch immer nicht satt?“,<br />
frage ich schnippisch. Und<br />
schaue ihm neidvoll hinterher.<br />
Plötzlich sehe ich, wie<br />
zwei Damen ihre Hälse<br />
recken. Wie die Helmut<br />
ansehen! Unglaublich, die<br />
sind auch noch wesentlich<br />
jünger. Und mein Mann?<br />
Merkt natürlich nichts.<br />
Triumphierend blicke ich<br />
zu den beiden rüber: Tja,<br />
Mädels, d e r gehört mir!<br />
Als Helmut mit zwei Gurkenscheiben<br />
zurückkommt,<br />
sage ich bewundernd: „Du<br />
siehst wirklich gut aus für<br />
dein Alter!“ Er schaut<br />
überrascht, grinst<br />
erfreut und<br />
meint: „Du<br />
aber auch!“<br />
Fotos: Franklin Berger, Getty Images<br />
70 10 / 2011