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pdf-datei - Mathematik - Universität Tübingen

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Kapitel 9. Das Thurstonprogramm<br />

Die Geometrisierungsvermutung beinhaltet also, dass durch den dargestellten Prozess<br />

tatsächlich alle existierenden 3-Mannigfaltigkeiten hergestellt werden.<br />

Dieses Ergebnis ist mehr als erstaunlich; es enthält mehrere andere benannte Ergebnisse<br />

als Spezialfälle. Beispielsweise besagt die Poincaré-Vermutung, dass eine (kompakte,<br />

randlose, orientierbare) 3-Mannigfaltigkeit genau dann triviale Fundamentalgruppe<br />

hat, wenn sie die Sphäre S 3 ist. Das heißt, in der Sprache unseres Algorithmus „terminiert“<br />

die Poincaré-Vermutung bereits nach dem ersten Schritt: Wir wählen nur eine<br />

einzige Modellgeometrie und wenden keinen der weiteren Schritte an. Auch die Hyperbolisierungsvermutung<br />

und die Elliptisierungsvermutung sind auf ähnliche Weise<br />

Spezialfälle der Geometrisierungsvermutung: stets wird auf eine Menge von Geometrien<br />

und Werkzeugen eingeschränkt, so dass der Algorithmus nicht komplett durchlaufen<br />

wird, sondern nur Teile benutzt werden.<br />

Mit dem Beweis des Theorems 2003 durch Grisha Perelman [10] wurde also unter Anderem<br />

gleichzeitig die seit 1904 offene Poincaré-Vermutung bewiesen. Sie war eines der<br />

sieben „Millenium Problems“, auf deren Lösung die Clay Mathematical Foundation eine<br />

Million US-Dollar ausgesetzt hatte – und ist das bisher einzige der sieben Probleme,<br />

das gelöst werden konnte.<br />

9.1 Die Modellgeometrien<br />

Die Modellgeometrien selbst sind nichts Anderes als bestimmte Riemannsche Mannigfaltigkeiten,<br />

also solche Mannigfaltigkeiten, die eine Riemannsche Metrik tragen. Diese<br />

Metrik definiert dabei Abstände und Winkel auf der Mannigfaltigkeit, erzeugt also genau<br />

eine Geometrie auf der Mannigfaltigkeit.<br />

Wie sich herausstellte, sind für die Erfüllung der Thurstonvermutung gerade einmal<br />

acht Geometrien notwendig.<br />

• Der euklidische Raum R 3 mit der flachen Metrik.<br />

• Die runde Sphäre S 3 mit der runden Metrik.<br />

• Den hyperbolischen Raum H 3 mit der hyperbolischen Metrik.<br />

• Die Produktmannigfaltigkeit S 2 × R mit der induzierten Metrik.<br />

• Die Produktmannigfaltigkeit H 2 × R mit der induzierten Metrik.<br />

• Nil<br />

• Sol<br />

• SL(2, ˜ R), die universelle Überlagerung der speziellen linearen Gruppe SL(2, R).<br />

Dabei stellen die ersten drei genannten Geometrien (R 3 , S 3 und H 3 ) solche mit konstanter<br />

Schnittkrümmung dar; die folgenden zwei (S 2 × R und H 2 × R) stellen Geometrien<br />

aus Produkten dar; und die letzten drei (Nil, Sol und SL(2, ˜ R)) schließlich stellen Geometrien<br />

aus Liegruppen dar.<br />

Der Beweis, dass diese acht Modellgeometrien ausreichen sowie die Geometrien selbst<br />

stellen das Thema zahlreicher weiterführender Arbeiten dar, siehe z.B. [13].<br />

Insgesamt konnten wir damit also einen enorm weitreichenden Überblick über die zur<br />

Klassifizierung der 3-Mannigfaltigkeiten notwendigen Sätze und Methoden geben.<br />

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