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uht dabei ganz wesentlich darauf, dass es weit<br />

mehr umfasst als die kognitiv-sprachförmigen<br />

Wissensbestände, über die sich explizit Auskunft<br />

geben lässt. Beim Alltagswissen haben<br />

wir es mit einem pluralen Erfahrungs- und<br />

Handlungswissen zu tun, das einen breiten<br />

Fundus fragloser Selbstverständlichkeiten und<br />

inkorporierter Handlungsroutinen umfasst,<br />

die weniger im Kopf ‚sitzen‘ als im Körper<br />

und scheinbar wie ‚von selbst‘ geschehen (vgl.<br />

Hirschauer 1996; Wetterer 2008b).<br />

Auch für das alltagsweltliche Geschlechterwissen<br />

gilt, dass die diskursiv verfügbaren<br />

Bestandteile dieses Wissens zwar die expliziten<br />

Formen der Kommunikation und Selbstverständigung<br />

anleiten und bestimmen, aber im<br />

Handeln, im doing gender, unterstützt oder konterkariert<br />

werden können durch ein praktisches<br />

Wissen, das Handlungsfähigkeit ermöglicht,<br />

weil es zur Routine geworden ist, und Erwartenssicherheit<br />

gewährleistet, ohne dass man<br />

lange darüber nachdenken muss.<br />

Besonders gut studieren kann man das gegenwärtig<br />

in den gut ausgebildeten städtischen<br />

Mittelschichten, bei denen eine erhebliche Diskrepanz<br />

zwischen diskursivem und praktischem<br />

Wissen zu beobachten ist (vgl. Wetterer 2003;<br />

2006). Folgt man neueren Untersuchungen über<br />

die Arbeitsteilung in Familie, Paarbeziehung<br />

oder Beruf, so gelangt man ein ums andere Mal<br />

zu dem Ergebnis, dass Gleichberechtigung und<br />

Individualisierung in diesem sozialen Milieu<br />

selbstverständlich geworden sind, während tradierte<br />

Geschlechternormen ihre fraglose Selbstverständlichkeit<br />

und Verbindlichkeit weitgehend<br />

verloren haben. Die erste Antwort jedenfalls, die<br />

empirische Studien zu Tage fördern, wenn sie<br />

nach der Arbeitsteilung im Haushalt fragen oder<br />

nach den Kriterien für den Einstieg und Aufstieg<br />

im Beruf, lautet mit schöner Regelmäßigkeit:<br />

Geschlecht spielt keine Rolle (mehr). Jedenfalls<br />

nicht mehr im Selbstverständnis der Akteure,<br />

nicht auf der Ebene des Redens und der Diskurse.<br />

Das diskursive Geschlechterwissen orientiert sich<br />

heute hoch selektiv an der Idee der Gleichheit.<br />

Nur die Praxis erzählt eine ganz andere Geschichte<br />

(vgl. Kaufmann 1994; Koppetsch/Burkhart<br />

1999; Gildemeister 2005a und 2005b; sowie<br />

die Beiträge in Gildemeister/Wetterer 2007).<br />

In der Praxis kommen implizite und inkorporierte<br />

Wissensbestände zum Tragen, in denen<br />

noch die alten asymmetrischen Geschlechterpositionen<br />

bewahrt sind. Im Haushalt sind es<br />

die Gesten, die alltägliche Handlungsroutinen,<br />

die den Frauen einfach leichter von der Hand<br />

gehen (Kaufmann 1994) und so dazu beitragen,<br />

dass die Idee der Gleichheit in der Praxis<br />

noch kaum ihren Niederschlag gefunden hat,<br />

weil die einen noch im Schlaf die Handtücher<br />

richtig falten können, während die anderen<br />

auch hellwach nicht sehen, dass der Korb mit<br />

der schmutzigen Wäsche schon wieder mehr als<br />

voll ist. Im Beruf sind es vorreflexive und automatische<br />

gender status beliefs, die dafür sorgen,<br />

dass Männern – und zwar von Männern und<br />

Frauen – automatisch Kompetenz und Autorität<br />

zugeschrieben werden, während ihre Kolleginnen<br />

immer neu beweisen müssen, dass auch<br />

sie über beides verfügen (Ridgeway 2001).<br />

Das alltagsweltliche Geschlechterwissen ist<br />

also widersprüchlich und heterogen. Und das<br />

stellt in gleichstellungspolitischer Hinsicht vor<br />

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