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Zeitstrukturen<br />

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte,<br />

betrifft die zeitlichen Ordnungen in der<br />

Forschung. Adam und Groves (2007) haben<br />

zu Beginn ihres Buches „Future Matters“ mit<br />

Nachdruck deutlich gemacht, welche zentrale<br />

Bedeutung heute Fortschritt und Geschwindigkeit<br />

haben; dies geht so weit, dass Stillstand<br />

mit Rückschritt gleichgesetzt wird. Auch in<br />

der Wissenschaft scheint sich dieses Denken<br />

durchgesetzt zu haben, denn viele, insbesondere<br />

junge ForscherInnen, beschreiben Stillstehen im<br />

Sinne einer Unterbrechung einer potenziellen<br />

wissenschaftlichen Karriere als eine nicht vorhandene<br />

Option. Dies steht in Zusammenhang<br />

mit der Vorstellung, dass zu jedem Zeitpunkt<br />

eine Masse an neuen AnwärterInnen versucht<br />

auf einen Platz in der Wissenschaft nachzurücken<br />

und Stehenbleiben daher mit der Furcht,<br />

aus dem System gedrängt zu werden, verbunden<br />

ist. Dies rückt die Vorstellung von einer<br />

linearen und ungebrochenen Karriere in den<br />

Vordergrund, ein Ideal, welches sich historisch<br />

aus männlichen Lebensformen entwickeln<br />

konnte (Garforth und Cervinková 2009). Die<br />

Herstellung dieser Linearität und Ungebrochenheit<br />

ist in der Funktionsweise des heutigen<br />

Wissenschaftssystems nicht mehr strukturelle<br />

oder institutionelle Aufgabe, sondern muss<br />

von jeder/m Einzelnen geleistet werden. Früher<br />

konnten vor allem Männer dies aufgrund<br />

der unhinterfragten familiären Unterstützung<br />

verwirklichen, heute stellt sich diese Frage im<br />

Sinne einer Geschlechtersymmetrie in völlig<br />

neuer Weise. Da aber aufgrund des Ideals der<br />

Mobilität auch die Zeiteinheiten, die junge WissenschaftlerInnen<br />

an einer Institution verbringen<br />

bzw. verbringen sollen, massiv geschrumpft<br />

sind, wird es für Frauen ungleich komplexer,<br />

diese Linearität und Ungebrochenheit aufrechtzuerhalten.<br />

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Zeit zu einer<br />

kargen und umkämpften Ressource geworden<br />

ist und eine stark strukturierende Wirkung<br />

auf die epistemischen Lebensräume hat. In<br />

diesem Zusammenhang steht auch die Frage<br />

im Raum, wer über die ‚eigene‘ Zeit verfügen<br />

kann. Gerade die Projektifizierung und die auf<br />

begrenzte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverträge<br />

führen zu einem Verlust dessen, was Ylijoki<br />

und Mäntylä (2003) treffend als „zeitlose Zeit“<br />

bezeichnet haben. Damit verweisen die Au-<br />

VORTRÄGE<br />

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