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New Public Management-Logik. Konkret bedeutet<br />
dies die Verankerung von meist rein<br />
quantitativ orientierten Systemen zur Erfassung<br />
wissenschaftlicher Leistungen. Gleichzeitig geht<br />
damit auch eine weitreichende sprachliche Verschiebung<br />
einher. Zentrale Termini werden nun<br />
„Management“, „Ressourcen“ – auch Menschen<br />
werden hier als solche erfasst –, „Budgeting“<br />
und viele mehr; alles Begrifflichkeiten, die zumeist<br />
auch von denjenigen, die Gleichstellungsbzw.<br />
Frauenförderpolitik betreiben, relativ<br />
unreflektiert übernommen werden.<br />
Die Einführung von Audit-Strukturen bedeutet,<br />
dass die in einer Forschungsinstitution tätigen<br />
WissenschaftlerInnen gleichsam gezwungen<br />
werden, ihre eigenen Leistungen entlang der<br />
im Audit-System vorgegebenen Dimensionen<br />
aufzubereiten und einer Bewertung zuzuführen.<br />
Die implizite Steuerungswirkung solcher<br />
Audit-Strukturen besteht schließlich darin,<br />
dass jede Tätigkeit auf ihre Passform mit dem<br />
System hinterfragt werden muss und nur jene<br />
Tätigkeiten zählen, die sich auch zählen lassen.<br />
Unterstützt wird dieser Wandel durch<br />
das starke Vertrauen, welches kontemporäre<br />
Gesellschaften in Zahlen haben (Porter 1995):<br />
Statistiken über Frauen-Köpfe in der Wissenschaft<br />
und andere numerische Werte stehen<br />
definitiv in der Hierarchie der Aussagekraft<br />
über den Zustand des Wissenschaftssystems<br />
an der Spitze. Dadurch wird aber gleichzeitig<br />
fast ausschließlich den messbaren Aufgaben<br />
Bedeutung zugemessen: Publikationen, Impact-<br />
Faktoren, Drittmittel, eingeladene Vorträge und<br />
Ähnliches sind die Favoriten (siehe z. B. Shore<br />
2008). Bestimmte Formen der Arbeit, wie etwa<br />
Betreuungsarbeit oder Artikulationsarbeit, die<br />
den Zusammenhalt von oft heterogenen Teams<br />
sicherstellen, werden durch die oben genannten<br />
Wertesysteme kaum erfasst. Ihre fehlende<br />
Passform mit einer Audit-Logik erweist sich<br />
als verhängnisvoll. Somit verlieren nahezu alle<br />
Tätigkeiten, die man unter dem Begriff „Care<br />
Work“ zusammenfassen könnte – etwa für die<br />
„Lab-family“, wie dies eine Interviewpartnerin<br />
sehr treffend genannt hat – an formaler Wertigkeit.<br />
Care Work wird in der Audit-Logik des<br />
Wissenschaftssystems, wie in vielen anderen<br />
Lebensbereichen auch, als freiwillige Zusatzleistung<br />
angesehen, obwohl sie überaus bedeutend<br />
für die Systementwicklung und oft auch<br />
sehr zeitaufwendig ist.<br />
Audit-Strukturen werden dann vollständig<br />
wirkmächtig, wenn jede/r einzelne WissenschaftlerIn<br />
die Audit-Kriterien auch zur Selbstbeobachtung<br />
und Selbstbeurteilung heranzieht.<br />
So finden wir in den Interviews viele Selbsteinschätzungen<br />
wie: „Noch-nicht-genug-Outputhaben“,<br />
„Zu-langsam-sein“, oder „Gar-nichtdie-richtige-Person-für-die-Wissenschaft-sein“.<br />
Diese Eigenbewertungen basieren auf den im<br />
Audit festgelegten Parametern. Dies führt dazu,<br />
dass insbesondere Frauen oft ihre Passfähigkeit<br />
in das System in Zweifel ziehen und angesichts<br />
der Unsicherheit, ob und wie ihre Arbeit wertgeschätzt<br />
wird, schließlich einen Weg aus der<br />
Wissenschaft erwägen. Dieses Phänomen kann<br />
bei jungen Frauen und Männern gleichermaßen<br />
beobachtet werden, ist bei ersteren jedoch aus<br />
vielen Gründen stärker ausgeprägt. Dies führt<br />
dann bisweilen zu einer Art des Selbstausschlusses<br />
von Frauen, d. h. zu dem Gefühl, nicht<br />
für dieses System geeignet zu sein.<br />
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