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als „Tacit Governance“ (Felt und Fochler, 2010)<br />
bezeichnen möchte, also implizite Formen des<br />
Regierens und Regulierens bis hinein in den<br />
Alltag der ForscherInnen. Denn der wissenschaftspolitisch<br />
gestützte bzw. vorangetriebene<br />
Wertewandel, so die Hypothese, bleibt nicht<br />
ohne Auswirkungen auf das Leben der WissenschaftlerInnen.<br />
Somit gilt es auch die Frage<br />
nach der Auswirkung auf Geschlechterordnungen<br />
im Wissenschaftssystem jenseits der<br />
statistischen Zählübungen immer wieder neu<br />
zu stellen. Dieser Wandel lässt sich konkret an<br />
einer ganzen Fülle von Veränderungen festmachen:<br />
Neue Karriereschemata strukturieren das<br />
Leben in der Wissenschaft wesentlich rigider<br />
als bislang, Projektifizierung bedeutet das fast<br />
ausschließliche Denken und Handeln in Form<br />
von temporal begrenzten und mit einem Budget<br />
versehenen Einheiten. Audit-Kulturen verweisen<br />
auf die Obsession, einen möglichst hohen<br />
Anteil wissenschaftlicher Arbeit messen und<br />
überwachen zu können; Exzellenzinitiativen<br />
unternehmen den Versuch, „Qualitätsklassen“<br />
in der Wissenschaft deutlich zu machen. Was<br />
bewirken diese Veränderungen für den ForscherInnenalltag,<br />
für das Selbstverständnis der<br />
WissenschaftlerInnen, die in der Forschung<br />
arbeiten, aber auch für die Handlungsräume,<br />
die zur Verfügung stehen bzw. ohne allzu große<br />
Widerstände geschaffen werden können? Was<br />
lässt sich unter diesem Blickwinkel über die<br />
Auswirkungen auf Geschlechterverhältnisse in<br />
der Wissenschaft sagen?<br />
Durch eine Fokussierung auf die Mikropolitik<br />
bewege ich mich weg von expliziten Ausschlussmechanismen,<br />
also den klassischen Formen<br />
der Diskriminierung, die weiterhin Bestand<br />
haben und Beachtung finden müssen. Allerdings<br />
stelle ich nach zwei Jahrzenten universitärer<br />
Gremienarbeit mit Personalentscheidungen<br />
auf unterschiedlichsten Ebenen fest, dass man/<br />
Mann gelernt hat, dass der Ausschluss von<br />
Frauen in direkter und offensichtlicher Weise<br />
auf weniger gesellschaftliche Akzeptanz stößt.<br />
Gleichzeitig lässt sich bei genauerer Betrachtung<br />
sehr wohl ausmachen, dass die Praxis des<br />
Ausschlusses dadurch nicht verschwunden ist,<br />
sondern sich eben wesentlich leiser vollzieht,<br />
als dies zuvor der Fall war. „Leise Ausschlüsse“<br />
ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen,<br />
bedeutet die Verschiebung der Perspektive auf<br />
viele kürzere und oft unbedeutend wirkende<br />
Momente im ForscherInnenleben, auf die<br />
impliziten Wertesysteme und damit auch das<br />
Phänomen des Selbstausschlusses – also auf die<br />
behauptetermaßen „selbst getroffenen Entscheidungen“,<br />
das Wissenschaftssystem zu verlassen.<br />
Der Wandel des Lebens und Arbeitens in der<br />
Wissenschaft steht also im Mittelpunkt meiner<br />
Überlegungen; es geht zentral um die ForscherInnen<br />
und ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen.<br />
In Anlehnung an Sheila Jasanoff<br />
(2004) soll dabei auf die enge Verknüpfung von<br />
Leben in der Wissenschaft und Wissensproduktion<br />
verwiesen werden, um so hervorzuheben,<br />
dass dieser auf die AkteurInnen zentrierte Blick<br />
nicht nur eine Geschichte um die WissenschaftlerInnen<br />
erzählt, sondern auch von den Möglichkeiten<br />
Wissen zu erzeugen. Jasanoff bringt<br />
diese Verknüpfung von Lebens- und Wissensformen<br />
treffend auf den Punkt: „… the ways in<br />
which we know and represent the world (both<br />
nature and society) are inseparable from the<br />
way in which we choose to live in it“. Es geht<br />
also um die Fragen, welchen einschließenden<br />
VORTRÄGE<br />
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