Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie
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die entscheidung zwischen<br />
leben und tod verstehen<br />
Quantitative Studien des Zelltods<br />
Die Forschungsgruppe „Translationale <strong>Systembiologie</strong>“<br />
in Heidelberg<br />
von Nathan Brady<br />
Damit mehrzellige Organismen, ausgehend von einfachen<br />
Schleimpilzen bis hin zum Menschen, überleben<br />
können, müssen bestimmte Zellen im Körper<br />
sterben. Dieser für unzählige Prozesse kritische Mechanismus<br />
wird als programmierter Zelltod bezeichnet.<br />
Fehler im Entscheidungsprozess zwischen Leben<br />
und Tod hängen mit dem Entstehen zahlreicher<br />
Krankheiten zusammen. Ungleichgewichte zwischen<br />
Todes- und Überlebenssignalen in Krebszellen sind<br />
ein Hauptgrund für die Entwicklung von Tumoren<br />
und dem Mangel an effektiven Therapien. Um diese<br />
zu verbessern, sind ein besseres Verständnis dieser<br />
Fehler und das Wissen, wie diese Wege des programmierten<br />
Zelltodes beeinflusst werden können,<br />
notwendig. Eine wichtige Herausforderung zum<br />
Verständnis dieser fundamentalen Prozesse ist die<br />
Fähigkeit hochkomplexe Prozesse, die nicht nur in<br />
isolierten Zellen sondern auch in Zellpopulationen<br />
und Geweben passieren, detailliert zu beschreiben.<br />
Mithilfe der hochauflösenden Mikroskopie sind wir in<br />
der einmaligen Lage, die Maschinerie zu beobachten,<br />
die für die zellulären Entscheidungen zwischen<br />
Leben und Tod verantwortlich ist. Die mathematische<br />
Modellierung hilft dann bei der Generierung neuer<br />
Hypothesen. Mit diesen Methoden wollen wir dazu<br />
beitragen, optimale Behandlungsstrategien zu finden,<br />
die entweder Krebszellen wieder sensitiv gegenüber<br />
Todessignalen machen oder den Zelltod in anormalen<br />
Zellen induzieren können.<br />
Alle Zellen in unserem Körper enthalten alternative Mechanismen,<br />
um potent verschiedene programmierte Formen des Zelltods<br />
auszulösen. Ein Verlust der Regulation des Zelltods ist der<br />
Auslöser zahlreicher Krankheiten. Ungewünschter Zelltod führt<br />
in chronischen wie in akuten Krankheiten wie Herzversagen oder<br />
Neurodegeneration zum Verlust von unersetzlichen Zellen. Im<br />
Gegensatz dazu ist bei Krebs die unkontrollierte Vermehrung<br />
von Zellen teilweise Folge des Ausfalls der Zelltodmechanismen.<br />
Daher stellt die Erforschung des programmierten Zelltodes eine<br />
fundamentale Herausforderung in der Biologie dar. Unsere neue<br />
Forschungsgruppe „Translationale <strong>Systembiologie</strong>“ am Deutschen<br />
Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der medizinischen<br />
Fakultät der Universität Heidelberg konzentriert sich auf Zelltodmechanismen<br />
in Krebszellen aus dem Pankreas, der Brust<br />
und dem Nervensystem. Durch eine Fusion von quantitativen<br />
experimentellen und theoretischen Herangehensweisen möchte<br />
unser Labor ein detailliertes Verständnis der dem programmierten<br />
Zelltod zugrundeliegenden Mechanismen und der Folgen von<br />
Störungen bei der Krebsentstehung schaffen. Dadurch hoffen<br />
wir, auch neue Therapiestrategien zu entwickeln.<br />
Mitochondrien können zu Auslösern des Zelltods<br />
werden<br />
Die Apoptose, der bestuntersuchte Modus des programmierten<br />
Zelltods, kann über zwei Wege aktiviert werden. Der extrinsische<br />
Weg wird durch extrazelluläre Signalmoleküle ausgelöst,<br />
die sogenannte Todesrezeptoren auf der Zellmembran aktivieren.<br />
Der intrinsische (mitochondrielle) Weg stellt einen internen<br />
Mechanismus dar, der Zellen mit schweren Störungen in den<br />
Selbstmord treibt (s. Abb. 1). Dadurch wird sichergestellt, dass<br />
sich diese Zellen nicht vermehren können. Beide Wege werden<br />
durch Caspasen, Protein-abbauende Enzyme aus der Cystein-<br />
Protease-Familie, aktiviert, die die Zellbestandteile auseinander<br />
nehmen und die Zelle schließlich töten. Mitochondrien, die<br />
unter normalen Bedingungen den Großteil des ATP, der zellulären<br />
Energiewährung, herstellen, spielen bei diesem Prozess<br />
eine Schlüsselrolle. Ihre Rolle während des programmierten<br />
Zelltodes ist unser Hauptforschungsgebiet. In Stresssituationen<br />
durchlaufen sie einen Prozess des Funktionsverlustes ihrer äußeren<br />
Membran, der auch mitochondrial outer membrane permeabilization<br />
(MOMP) genannt wird. MOMP führt zu einer Leckage von Proteinen<br />
aus den Mitochondrien in den sonst separierten Zellrest. Dieser<br />
Prozess macht Mitochondrien zu Vollstreckern des programmierten<br />
Zelltodes. Er wird bestimmt durch die sogenannte Bcl-2-Proteinfamilie,<br />
die sowohl Apoptose-stimulierende wie auch Proteine, die<br />
das Überleben der Zelle sicherstellen können, beinhalten.<br />
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Forschung Die Entscheidung zwischen Leben und Tod verstehen<br />
www.systembiologie.de