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Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie

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Dirk Drasdo<br />

Der Regenerationsprozess in Zahlen<br />

Etwa eine Woche nach der Vergiftung war die Läppchenmasse<br />

wieder vollständig hergestellt. Abbildung 2 zeigt einen direkten<br />

Vergleich des Regenerationsprozesses im Experiment (obere<br />

Reihe) mit der Computersimulation (untere Reihe). Um eine Vergleichbarkeit<br />

zwischen biologischer Realität und Modell herstellen<br />

zu können, haben wir vier repräsentative Parameter identifizieren<br />

können: das Zellteilungsmuster im Läppchen, die Anzahl<br />

der Zellen pro Fläche, die Fläche des abgestorbenen Gewebes und<br />

die Kontaktfläche zwischen Hepatozyten und Blutgefäßen. Anhand<br />

der Werte ist deutlich zu erkennen, dass die Regeneration<br />

der Masse der Regeneration der Architektur vorausgeht. Letztere<br />

ist erst nach zwei Wochen abgeschlossen.<br />

Der Regenerationsprozess im Computermodell<br />

<strong>Das</strong> Computermodell erfasst sowohl jeden einzelnen Hepatozyten<br />

als auch die Blutgefäße (Sinusoide) als Netzwerk dehnbarer,<br />

schlauchförmiger Objekte. Jeder Hepatozyt wird dabei durch eine<br />

Bewegungsgleichung beschrieben, mit der zu jeder Zeit seine genaue<br />

Position berechnet werden kann. Diese erfasst mathematisch<br />

die aktive Eigenbewegung des Hepatozyten sowie alle Kräfte, die<br />

auf den Hepatozyten wirken: Die Kraft durch andere Hepatozyten<br />

und durch Sinusoide und diejenige, die durch die extrazelluläre<br />

Matrix in den kleinen Leerräumen zwischen den Zellen und Sinusoiden<br />

auf den Hepatozyten ausgeübt wird. Die Zellparameter im<br />

Modell sind im Prinzip alle messbar. Eine der Zelle äquivalente Bewegungsgleichung<br />

wurde auch für die Sinusoide aufgestellt.<br />

Um sicherzugehen, dass das Modell auch die Wirklichkeit widerspiegelt,<br />

haben wir die Computerdaten immer wieder mit den<br />

Messungen der Biologen abgeglichen. Wie wichtig die Rückkopplung<br />

mit den Laborexperimenten ist, zeigt die fortlaufende Weiterentwicklung<br />

des Modells in drei Schritten. In der ersten Version<br />

des Modells fand die Zellteilung in zufälliger Richtung statt und<br />

auch die Zellwanderung geschah ungerichtet. Die Erklärungskraft<br />

des Modells war gering, da lediglich die Anzahl der regenerierten<br />

Leberzellen korrekt beschrieben wurde (rote Kurve in Abb. 2 D).<br />

Ein genaueres Studium der Mikroskopieschnitte zeigte, dass die<br />

Hepatozyten am Rand der abgestorbenen Regionen füßchenartige<br />

Ausläufer in das tote Gewebe hineinstreckten. Könnten die Zellen<br />

vielleicht kollektiv gerichtet wandern – obwohl isolierte Hepatozyten<br />

in toten Leberteilen nicht nachzuweisen waren? Nachdem<br />

wir gerichtete Zellbewegungen in der zweiten Version des Modells<br />

berücksichtigten, führte dies zu einer erheblichen Verbesserung<br />

der Computervorhersage. Mit Modell 2 ließ sich auch das Schließen<br />

der toten Zone korrekt beschreiben (blaue Kurve in Abb. 2<br />

G). Trotzdem versagte das Modell weiterhin, wenn es um die Architektur<br />

ging (Abb. 2 H). Diese erfordert nämlich ein hohes Maß<br />

an Ordnung: Die Hepatozyten mussten sich wie Perlen auf einer<br />

Schnur an den Sinusoiden entlang schlängeln, um ihre Kontaktfläche<br />

zu maximieren. Tatsächlich gelang der Durchbruch, als im<br />

Modell 3 angenommen wurde, dass sich die Hepatozyten bei ihrer<br />

Teilung entlang der Sinusoide ausrichten. Dieser Mechanismus<br />

konnte alle Prozessparameter korrekt erklären (grün in Abb. 2<br />

E-H). Aber entspricht die Erklärung des Modells auch der Wirklichkeit<br />

in lebendem Gewebe?<br />

Unsere Vorhersage bestätigt sich: HSA ist ein Ordnungsmechanismus<br />

In einem letzten Experiment haben wir in drei Dimensionen den<br />

Winkel zwischen den beiden Tocherzellen nach ihrer Teilung und<br />

dem nächstgelegenen Sinusoid bestimmt. <strong>Das</strong> Ergebnis entsprach<br />

den theoretisch von Modell 3 vorhergesagten Werten. Damit war<br />

bestätigt, dass sich Hepatozyten an den Sinusoiden ausrichten.<br />

Ohne diesen Ordnungsmechanismus, den wir HSA (Hepatocyte-<br />

Sinusoid Alignment) tauften, kann eine korrekte Regeneration<br />

der Leberläppchenarchitektur nicht stattfinden.<br />

Mit dieser Arbeit konnten wir beispielhaft zeigen, wie Bildinformationen<br />

aus histologischen Präparaten genutzt werden<br />

können, um Modelle zur Vorhersage von räumlich-zeitlichen<br />

Organisationsprozessen im Gewebe aufzustellen. <strong>Das</strong> Prinzip<br />

www.systembiologie.de<br />

Forschung Simulierte Leberregeneration<br />

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