Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie
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Abbildung 2: Dreidimensionales Abbild von Mitochondrien (grün), Lysosomen (rot) und Zellkernen (grau). Nach Zugabe von Artesunat sammeln sich die Lysosomen<br />
asymmetrisch im Bereich des Zellkerns. Signale aus den Lysosomen führen zu einer Fragmentierung der Mitochondrien und machen diese über eine Freisetzung von<br />
Cytochrom c zu Auslösern des Zelltodes (Bild: Nathan Brady).<br />
Malariamedikament wirkt auch auf Krebszellen:<br />
Eisen spielt dabei eine entscheidende Rolle<br />
In einem gemeinsamen Projekt mit der Gruppe um Roland Eils<br />
beschäftigten wir uns mit Artesunat, einem Arzneistoff aus der<br />
Gruppe der Artemisinine, die aus der Pflanze Artemisia annua gewonnen<br />
und häufig zur Behandlung der Malaria eingesetzt werden.<br />
Kürzlich konnte gezeigt werden, dass Artesunat auch in der<br />
Lage ist Krebszellen abzutöten. Interessanterweise wirkt es bei<br />
Malaria auf die Nahrungsvakuole des einzelligen Parasiten, die<br />
den Lysosomen der Säugerzellen ähnelt. Lysosomen sind kleine<br />
Vesikel, die mit hochaktiven Enzymen gefüllt sind, die Proteine,<br />
Lipide und andere Stoffe in ihrem Inneren abbauen.<br />
Dies motivierte uns, zu untersuchen, ob der Effekt von Artesunat<br />
bei Krebszellen ebenfalls die Lysosomen betrifft. Dazu behandelten<br />
wir verschiedene Brustkrebs- und normale Zelllinien<br />
mit dem Medikament und untersuchten den Effekt auf verschiedenen<br />
Organellen, darunter Endosomen, Lysosomen und<br />
Mitochondrien. Auffallend war, dass die Behandlung nicht nur<br />
zu auffälligen Veränderungen bei Lysosomen, sondern auch bei<br />
Mitochondrien und den Zellkernen führte (Abb. 2). Durch das<br />
Artesunat generierten die Lysosomen reaktive Sauerstoffspezies<br />
– hoch reaktive und toxische Moleküle. Im Rahmen eines bis<br />
dato unbekannten Mechanismus führten diese reaktiven Moleküle<br />
zu einer Freisetzung von Cytochrom c durch die Mitochondrien<br />
und in der Folge zur mitochondriellen Apoptose. Durch<br />
einen systematischen Vergleich verschiedener Ziellinien fanden<br />
wir heraus, dass verschiedene Brustkrebs-Zelllinien stärker auf<br />
Artesunat reagierten als nicht-tumorigene Epithelzellen aus<br />
der Brust. Faszinierenderweise konnte diese Sensitivität noch<br />
verstärkt werden, indem die Krebszellen zuvor mit erhöhten Eisenkonzentrationen<br />
versorgt wurden. Eine Reduktion des Eisengehaltes<br />
durch sogenannte Chelatoren führte hingegen zu einer<br />
Resistenz der Zellen gegen das Medikament. Dies zeigt, dass der<br />
lysosomale Eisengehalt die Zellen anfällig für das Medikament<br />
macht. Diese Erkenntnis hat wichtige Auswirkungen für einen<br />
späteren Einsatz in der Klinik: Krebszellen besitzen eine höhere<br />
metabolische Aktivität als normale Körperzellen und benötigen<br />
daher höhere Eisenmengen. Dies führt anscheinend auch zu höheren<br />
Eisenkonzentrationen in den Lysosomen. <strong>Das</strong> lysosomale<br />
Eisen bietet sich daher als günstiges Ziel einer Bekämpfung von<br />
Krebszellen an (Hamacher-Brady et al., 2011). In der Zwischenzeit<br />
konnten wir auch zeigen, dass dieser Signalweg auch in<br />
Krebszellen aus dem Pankreas aktiv ist, und wir untersuchen<br />
jetzt die Identität des Mechanismus, der das Todessignal zwischen<br />
den Lysosomen und den Mitochondrien überträgt.<br />
Abbildung 3:<br />
Bei den Entscheidungen zum Schicksal der Zelle findet ein extensiver und<br />
multi-direktionaler Austausch zwischen pro-apoptotischen, anti-apoptotischen<br />
und Autophagie Prozessen statt (Bild: Nathan Brady).<br />
<strong>Das</strong> Abbild einer sterbenden Zelle<br />
Eine künftige klinische Anwendung zum Wohle des Patienten ist<br />
das Ziel vieler Forschungsansätze – so auch im Falle des zuvor<br />
beschriebenen. Allerdings erfordert eine wirkliche Verbesserung<br />
der Abtötung von Krebszellen eine Integration von verschiedenartigen<br />
quantitativen und qualitativen Daten. Dabei kann die<br />
mathematische Modellierung helfen, ein tieferes Verständnis zu<br />
erlangen und bis dahin verborgene Verbindungen aufzudecken.<br />
Tatsächlich hat die Forschung der letzten Jahrzehnte gezeigt,<br />
dass eine Vielzahl von hochkomplexen Prozessen den programmierten<br />
Zelltod beeinflusst – und obwohl über 200.000 wissenschaftliche<br />
Arbeiten sich mit dem Thema befassen, sind uns immer<br />
noch wichtige Aspekte unbekannt. Zum Beispiel nimmt man<br />
an, dass die Autophagie Zellen schützt. Trotzdem konnten wir in<br />
einer früheren Arbeit (Brady et al., 2007) zeigen, dass das Bcl-2-<br />
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Forschung Die Entscheidung zwischen Leben und Tod verstehen<br />
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