Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie
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gegen altersblindheit ist ein<br />
moos gewachsen<br />
Freiburger Systembiologen entwickeln ein Medikament gegen die<br />
Altersbedingte Makuladegeneration<br />
von Ralf Reski, Eva Decker und Sabine Stebel<br />
Bild: Thomas Kunz, PR Universität Freiburg<br />
Unter Makuladegeneration, umgangssprachlich auch<br />
Altersblindheit genannt, ist eine Gruppe von Krankheiten<br />
zusammengefasst, bei welcher der Punkt des<br />
schärfsten Sehens, auch „Gelber Fleck“ genannt,<br />
seine Funktion verliert. Durch das Absterben dieses<br />
Punktes auf der Netzhaut geht das zentrale Sichtfeld,<br />
welches für das scharfe Sehen benötigt wird, langsam<br />
verloren. Die häufigste Form der Makuladegeneration<br />
ist die altersbedingte Form (AMD), die per Definition<br />
erst nach dem 50. Lebensjahr auftritt. Durch<br />
die in den Industrieländern deutlich veränderte Altersstruktur<br />
ist ein immer größerer Teil der Bevölkerung<br />
von dieser Krankheit betroffen und verursacht<br />
Abbildung 1: Ralf Reski mit Kulturen des Kleinen<br />
Blasenmützenmooses<br />
www.systembiologie.de<br />
dadurch den Krankenkassen zusätzlich hohe Kosten,<br />
denn die Altersbedingte Makuladegeneration ist in<br />
den Industriestaaten die Hauptursache für eine Erblindung<br />
bei Menschen über 50 Jahren. Weltweit leiden<br />
geschätzte 25 bis 30 Millionen Menschen unter<br />
der AMD, davon 2 Millionen allein in Deutschland.<br />
Komplementfaktor H und Altersblindheit<br />
Freiburger Wissenschaftler schließen nun eine Lücke in der<br />
AMD-Behandlung. Forschern um Eva Decker und Ralf Reski<br />
(Abb. 1) ist es erstmals gelungen, den „Komplementfaktor H“<br />
herzustellen, der in der Behandlung von AMD eingesetzt werden<br />
kann (Abb. 2) (Büttner-Mainik et al., 2010). Sinkt die Menge<br />
an „Komplementfaktor H“ im Blut älterer Menschen, ist das<br />
einer der Hauptgründe für die Ausprägung einer AMD. Der<br />
Komplementfaktor H ist Teil des sogenannten Komplementsystems,<br />
einem System von Proteinen des Blutplasmas, welches im<br />
Rahmen der Immunantwort aktiviert wird. Mit mehr als 30 Proteinen<br />
ist es an der Abwehr von Mikroorganismen (Bakterien,<br />
Pilzen, Parasiten) als Teil des sogenannten angeborenen Immunsystems<br />
beteiligt. Faktor H ist ein großes, mit Zuckermolekülen<br />
versehenes Eiweiß (Glykoprotein), dessen Hauptaufgabe es ist<br />
zu kontrollieren, dass das Komplementsystem nicht fälschlich<br />
körpereigenes Gewebe angreift. Erfüllt Faktor H seine Aufgabe<br />
nicht richtig, kann es zu schwerwiegenden gesundheitlichen<br />
Folgen kommen. Die Mutation oder Veränderung des Faktor<br />
H führt neben der Altersbedingten Makuladegeneration auch<br />
zum atypischen hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), einer<br />
seltenen Erkrankung, die Kleinkinder und Säuglinge betrifft<br />
und zu lebensbedrohlicher Nierenschädigung führen kann.<br />
Dieses so lebenswichtige Eiweiß ist jedoch bisher nicht käuflich<br />
zu erwerben, da es sich um eine so genannte „Orphan Drug“<br />
handelt, also um ein Medikament, bei dem der Markt zu klein<br />
ist, als dass sich eine Entwicklung für die pharmazeutische<br />
Industrie lohnen würde, da bei hohen Entwicklungs- und Produktionskosten<br />
nicht mit einer ausreichenden Rendite während<br />
des Patentschutzes zu rechnen ist. Dieser offizielle „Orphan<br />
Drug“-Status bedeutet, dass Entwicklung und Zulassung solcher<br />
Arzneimittel behördlich besonders gefördert werden.<br />
Forschung Gegen Altersblindheit ist ein Moos gewachsen<br />
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