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Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie

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Abbildung 2a: <strong>Das</strong> mikroskopisch definierte Broca-Areal (Brodmann-Areal BA44)<br />

Ein Areal, viele Funktionen? <strong>Das</strong> Brodmann Areal (BA) 44, dessen anatomische Lage im oberen Bild in Rot angezeigt ist, wird oft mit einem Teil der Broca'schen<br />

Sprachregion gleichgesetzt. Neben der Sprache zeigt es bei vielen anderen Aufgaben Aktivitäten in funktionellen Bildgebungsstudien. Die Broca’sche Sprachregion<br />

enthält daher Hirnrindengebiete, die eine simplifizierende Gleichsetzung der Funktion dieser Region mit der Steuerung der Sprachmotorik verbieten. Dies<br />

legt die Notwendigkeit einer systemischen Betrachtung nahe, in der kognitive Prozesse und Verhalten als Interaktionen zwischen verschiedenen Regionen erklärt<br />

werden (Bild: Simon B. Eickhoff).<br />

lokalisiert sind. Vielmehr entstehen sie in einem komplexen<br />

Netzwerk und auf sehr unterschiedlichen Skalenebenen, – von<br />

molekularen Botenstoffen, über Neuronen bis hin zu Hirnarealen<br />

– durch dynamischen Austausch von Informationen. <strong>Das</strong><br />

Konzept der Integration setzt dabei eine regionale Segregation<br />

von Hirnstrukturen und Mechanismen voraus, da es die Interaktion<br />

von spezialisierten Teilleistungen erfordert. Ein Verständnis<br />

der komplexen Struktur und Funktion des Gehirns ist<br />

daher ohne eine systembiologische Analyse nicht erreichbar.<br />

Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT)<br />

sowie der Positronenemissionstomographie (PET) können die<br />

neuronalen Aktivitäten, die kognitiven Prozessen zugrunde liegen,<br />

nicht-invasiv im Gehirn des Menschen lokalisiert werden.<br />

Dies führte dazu, dass die Lokalisation immer spezialisierterer<br />

neuropsychologischer Vorgänge zum dominierenden Paradigma<br />

wurde. Neue Ansätze zur mikrostrukturellen Kartierung<br />

der menschlichen Großhirnrinde (Zilles and Amunts, 2010)<br />

erlauben darüber hinaus, Fragen nach der Korrespondenz<br />

zwischen Anatomie und Funktion im Gehirn zu untersuchen.<br />

Werden aber funktionelle Bildgebungsbefunde mit populationsbasierten<br />

Wahrscheinlichkeitskarten z. B. zur Lage und<br />

Ausdehnung der mikrostrukturell (zytoarchitektonisch) definierten<br />

Areale in der Hirnrinde verglichen, so zeigen sich zwei<br />

zunächst widersprüchliche Phänomene: Einerseits lässt sich<br />

eine gute Korrespondenz zwischen Arealen und Funktion nachweisen,<br />

die es erlaubt, benachbarten Arealen unterschiedliche<br />

Funktionen zuzuordnen. Andererseits zeigt sich auch, dass<br />

dasselbe Areal in verschiedenen Kontexten aktiviert werden<br />

kann. Dem „Broca'schen Sprachareal“, einer spezialisierten<br />

Region der Großhirnrinde, werden z. B. eine Reihe differenzierter<br />

linguistischer Funktionen zugeschrieben, welche sich auch<br />

in Systemmodellen abbilden lassen. Interessanterweise werden<br />

im selben Areal aber auch Aktivitäten bei Handlungsbeobachtung<br />

und -steuerung, sowie bei Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses<br />

oder der visuellen Suche beobachtet (Abb. 2). <strong>Das</strong> Areal<br />

ist also neben der ihm zugeschriebenen Hauptaufgabe der<br />

Sprachbildung noch an zahlreichen anderen Aufgaben beteiligt<br />

(Caspers et al. 2010).<br />

Dieser scheinbare Widerspruch zwischen Segregation und Integration<br />

verdeutlicht die Notwendigkeit einer systemischen<br />

Betrachtung des Gehirns, in der kognitive Prozesse und Verhalten<br />

als strukturelle und funktionelle Interaktionen zwischen<br />

einzelnen Regionen erklärt und mithilfe von Computermodellen<br />

interpretiert werden. Dieses Vorgehen stellt eine deutliche<br />

Abkehr von dem in Experimentalpsychologie und Medizin vorherrschenden<br />

Ansatz dar, ein Problem in kleinste Einheiten und<br />

Mechanismen zu unterteilen und diese isoliert zu untersuchen.<br />

Nur systembiologische Ansätze erlauben, die Funktionsweise<br />

aus seiner dynamischen Netzwerkstruktur zu erklären. <strong>Das</strong><br />

Ganze ist – wie so oft – mehr als die Summe seiner Teile. Der<br />

systembiologischen Modellbildung kommt auch deshalb eine<br />

entscheidende Rolle zu, da Gehirnaktivität und Interaktionen<br />

zwischen Arealen mit den heutigen Verfahren oft nicht direkt<br />

gemessen werden können. Vielmehr spiegeln funktionelle MRT-<br />

Messungen (fMRT) lediglich die durch neuronale Aktivität induzierten<br />

Änderungen des lokalen Blutflusses wieder. Über ein<br />

Systemmodell der gemessenen Daten entsteht aber ein Zugang<br />

zur Charakterisierung der nicht direkt messbaren neuronalen<br />

Aktivitäten und der kausalen Wechselwirkungen der beteiligten<br />

Regionen.<br />

Dynamic Causal Modelling: Ein Systemmodell des<br />

Gehirns<br />

Der wichtigste Ansatz zur mathematischen Beschreibung von<br />

funktionellen Netzwerken ist das „Dynamic Causal Modelling<br />

(DCM)“, welches das Gehirn als ein dynamisches Input-Output<br />

System beschreibt (Friston et al. 20<strong>03</strong>). Die Elemente dieses Systems<br />

sind zum einen (i) einzelne Gehirnregionen, (ii) Inputs<br />

(Einflüsse) - experimentelle Manipulationen, wie die Darbietung<br />

eines Stimulus oder die Aufforderung eine Hand zu bewegen<br />

www.systembiologie.de<br />

Forschung Interaktionen zwischen Hirnarealen bestimmen, was wir tun<br />

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