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Das Magazin - Ausgabe 03 - Systembiologie

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Abbildung 2c: Funktionelle Aktivierung beim Benennen von Bildern.<br />

Dynamische Interaktionen steuern die Handbewegungen<br />

Der Nutzen einer Modellierung neuronaler Systeme für das<br />

Verständnis effektiver Konnektivität lässt sich sehr gut am<br />

motorischen System demonstrieren. So ist bei Bewegung einer<br />

Hand der primäre motorische Kortex (M1) auf der entgegengesetzten<br />

Hirnseite aktiviert und sendet die Befehle zur Muskelkontraktion<br />

an die entsprechenden motorischen Neurone<br />

des Rückenmarks. Durch funktionelle Bildgebungsstudien<br />

konnte gezeigt werden, dass weitere Regionen im motorischen<br />

System die Ausführung von Bewegungen kontrollieren. So wirken<br />

der prämotorische Kortex (PMC) und das supplementärmotorische<br />

Areal (SMA), ebenfalls auf der entgegengesetzten<br />

Seite, bei der Kontrolle bzw. Steuerung von Bewegungen mit.<br />

Jedoch ist sehr wenig darüber bekannt, welche Interaktionen<br />

zwischen diesen Regionen ablaufen und welche Rolle die Verbindungen<br />

zwischen den beiden Gehirnhälften spielen. Gerade<br />

diesem Zusammenwirken wird aber eine entscheidende Rolle<br />

in den Reorganisationsprozessen nach einem Schlaganfall oder<br />

einer peripheren Schädigung des Bewegungsapparates zugesprochen.<br />

Systembiologische Untersuchungen mittels DCM<br />

können entscheidend dazu beitragen, ein tieferes Verständnis<br />

dieser Interaktionen zu erhalten. Zu diesem Zweck führten<br />

wir Untersuchungen an gesunden Probanden und nachfolgend<br />

auch verschiedenen Patientengruppen durch (Grefkes<br />

et al. 2008; Eickhoff et al. 2008). Hierbei lagen die Probanden<br />

im fMRT-Scanner und wurden über einen Bildschirm instruiert,<br />

entweder nur die linke, nur die rechte oder beide Hände<br />

gleichzeitig zu bewegen. Die hervorgerufene Gehirnaktivität<br />

wurde während des Experiments kontinuierlich aufgenommen.<br />

Hierbei fand man signifikant erhöhte Aktivität bei der aktiven<br />

Bewegung in der jeweils der bewegten Hand gegenüber liegenden<br />

Gehirnhälfte.<br />

Modelliert man mittels DCM die Interaktionen im motorischen<br />

System, so zeigt sich im wahrscheinlichsten Modell die hohe Bedeutung<br />

der hemisphärischen Spezialisierung und der Interaktion<br />

zwischen beiden Gehirnhälften (Abb. 3). Die intrinsische oder<br />

endogene Konnektivität, zeigt ein höchst symmetrisches Bild<br />

aus positiver Kopplung von Arealen einer Hemisphäre (M1, PMC,<br />

SMA) und hemmenden interhemisphärischen Verbindungen<br />

(z. B. M1-M1). Eine Zunahme der Aktivität auf einer Hemisphäre<br />

bewirkt also eine Reduzierung des Aktivitätsniveaus der Gegenseite.<br />

Wird nun entweder die rechte oder die linke Hand bewegt,<br />

so kommt es zu einer signifikanten Zunahme der Konnektivität<br />

zwischen allen Arealen der gegenüberliegenden Gehirnhälfte.<br />

Im Gegensatz dazu werden alle Verbindungen in Richtung des<br />

primären Motorkortex, der die momentan nicht bewegte Hand<br />

kontrolliert, negativ moduliert. <strong>Das</strong> Gehirn konzentriert also gewissermaßen<br />

seine Aufmerksamkeit auf die einseitige Bewegung.<br />

Eine völlig andere Interaktion ergibt sich bei der gleichzeitigen<br />

Bewegung beider Hände. Es kommt zu einer Umkehr der interhemisphärischen<br />

Kopplungen, so dass nun eine positive Interaktion<br />

zwischen den Gehirnhälften auftritt. Mit anderen Worten,<br />

während beide Seiten des Gehirns normalerweise in einem gegenseitig<br />

hemmenden Gleichgewicht sind, die sich bei Bedarf an<br />

einseitiger Steuerung noch verstärkt, kommt es bei koordinierter<br />

Bewegung beider Hände auch zur verstärkten Kooperation zwischen<br />

den Gehirnhälften (Grefkes et al. 2008).<br />

Diesen dynamischen Vorgängen im Gehirn müssen natürlich<br />

strukturelle Organisationen als – je nach Bedarf – mehr oder<br />

weniger genutzte Informationsbahnen zugrunde liegen. Im Gehirn<br />

des Menschen waren diese Faserbahnen lange Zeit nur in<br />

groben Umrissen bekannt. Neue bildgebende Methoden wie das<br />

MRT-basierte Diffusions-Tensor-Imaging oder die hochauflösende<br />

Bildgebung der Faserbahnen mit der Polarisationsmikroskopie<br />

liefern gegenwärtig immer detailliertere Informationen<br />

über die Grundlage dieser neuronaler Interaktionen.<br />

Zusammen werden diese strukturellen und funktionellen Daten<br />

und Modelle unserem Verständnis der Organisation des<br />

gesunden und erkrankten Gehirns neue Perspektiven eröffnen,<br />

die Diagnose und Therapie neurologischer und psychiatrischer<br />

Erkrankungen auf einer wissensbasierten Grundlage ermöglichen.<br />

Momentan konzentrieren sich die Arbeiten dabei auf<br />

zwei entscheidende Fragestellungen: Wie können verschiedene<br />

Aspekte der Konnektivität im Gehirn zu gemeinsamen Modellen<br />

integriert werden und wie können krankhafte Prozesse von der<br />

normalen Varianz oder den Veränderungen beim gesunden Altern<br />

abgegrenzt werden.<br />

www.systembiologie.de<br />

Forschung Interaktionen zwischen Hirnarealen bestimmen, was wir tun<br />

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