Vorlesungsskript Finanzmathematik I
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2.2 Arbitragefreiheit und Zustandspreise/ Martingalwahrscheinlichkeiten 19<br />
2.2 Arbitragefreiheit und Zustandspreise/ Martingalwahrscheinlichkeiten<br />
2.2.1 Arbitragefreiheit und Zustandspreise<br />
Möchte man in t = 0 Wertpapiere kaufen, so hat man dafür einen gewissen Preis zu zahlen. Die<br />
Preise für die N Wertpapiere seien gegeben durch den Vektor S = (S 1 , . . . , S N ) ′ ∈ R N . So ist<br />
S n der Preis, den man im Zeitpunkt t = 0 zahlen muss, um in T die Wertschrift a n zu erlangen.<br />
Der Preis eines Portfolios θ bzw. sein Wert im Zeitpunkt t = 0 ist somit offensichtlich gegeben<br />
durch<br />
V θ<br />
0 := S ′ θ = 〈S, θ〉 =<br />
N∑<br />
S n θ n . (2.4)<br />
Bei gegebener Modellstruktur ist ein Markt durch ein Paar (D, S), D die Auszahlungsmatrix<br />
und S der Preisvektor in t = 0, beschrieben. Wir wollen zunächst die Frage untersuchen, welche<br />
Preissysteme bei gegebener Auszahlungsmatrix D keine Arbitrage zulassen, da nur solche Preise<br />
mit einem Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt vereinbar sind.<br />
Definition 2.2.1 (Arbitrage im Einperiodenmodell). Wir betrachten den Markt (D, S). Eine<br />
Arbitragemöglichkeit ist ein Portfolio θ = (θ 1 , . . . , θ N ) ′ mit<br />
n=1<br />
(i) V θ<br />
0 = S′ θ ≤ 0, d.h. in t = 0 ist der Preis des Portfolios ≤ 0.<br />
(ii) ∑ N<br />
n=1 a n(ω k )θ n ≥ 0, 1 ≤ k ≤ K, d.h. die Auszahlung von θ ist in jedem Zustand ω k ∈ Ω<br />
nicht-negativ.<br />
(iii) Es gilt S ′ θ < 0, oder es gibt ein k mit ∑ N<br />
n=1 a n(ω k )θ n > 0.<br />
Ein Markt (D, S) heisst entsprechend arbitragefrei, wenn es keine Arbitragemöglichkeit gibt.<br />
Unser Ziel ist die Charakterisierung von arbitragefreien Preissystemen zu gegebener Auszahlungsmatrix<br />
D. Dazu brauchen wir folgende Definition.<br />
Definition 2.2.2. Ein Vektor von Zustandspreisen für den durch eine Auszahlungsmatrix D und<br />
ein Preisvektor S gegebenen Markt ist ein Vektor ψ ∈ R K mit ψ k > 0, ∀k ∈ {1, . . . , K}, der<br />
die Gleichung S = D ′ ψ löst, wobei D ′ die transponierte Matrix von D bezeichnet.<br />
Betrachte eine erreichbare bedingte Auszahlung W = Dθ. Ein Kandidat für den Preis dieser<br />
Auszahlung in t = 0 ist der Preis S ′ θ des Replikationsportfolios θ. Das folgende Lemma zeigt,<br />
dass sich dieser Preis auch mit Hilfe von Zustandspreisen ausdrücken lässt.<br />
Lemma 2.2.3. Gegeben sei ein Vektor ψ ∈ R K mit ψ k > 0 für alle k. Dann ist ψ genau dann<br />
ein Vektor von Zustandspreisen, wenn für jede erreichbare bedingte Auszahlung W = Dθ die<br />
Identität ψ ′ W = S ′ θ gilt.<br />
Beweis: Es gilt wegen W = Dθ nach Definition der transponierten Abbildung<br />
ψ ′ W = 〈ψ, Dθ〉 = 〈D ′ ψ, θ〉 . (2.5)<br />
Falls ψ ein Vektor von Zustandspreisen ist, so gilt S = D ′ ψ, und die linke Seite von (2.5) ist<br />
gleich S ′ θ. Gilt umgekehrt die Identität ψ ′ W = S ′ θ, so folgt aus (2.5), dass 〈D ′ ψ, θ〉 = 〈S, θ〉<br />
für alle θ ∈ R N , und somit die Identität S = D ′ ψ.