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DAS ERREICHTE NICHT VERSPIELEN - Sachverständigenrat zur ...

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352 Arbeitsmarkt: Den Weg zu mehr Beschäftigung sichern<br />

dürftigkeit gewährt wird, um − gegebenenfalls in Verbindung mit dem ebenfalls bedürftigkeitsabhängigen<br />

Wohngeld − Hilfebedürftigkeit im Sinne eines anderen Transfers, der Grundsicherung<br />

für Arbeitsuchende, zu vermeiden. Dieser grundlegende Konstruktionsfehler zieht eine Reihe<br />

praktischer Probleme nach sich: Der administrative Aufwand wird zunehmen, und zwar je nach<br />

Ausgestaltung für die Arbeitsverwaltung, die Finanzämter oder die Arbeitgeber, insbesondere<br />

dann, wenn Erwerbstätige bei unstetem Einkommensprofil häufig zwischen dem Erwerbstätigenzuschuss<br />

und dem Arbeitslosengeld II wechseln. Diese Befürchtung ist nur allzu wahrscheinlich,<br />

wenn man bedenkt, dass von den im September 2005 − aktuellere Zahlen liegen bisher nicht vor −<br />

etwa 900 000 erwerbstätigen Leistungsbeziehern nur ein Drittel ganzjährig erwerbstätig war und<br />

von diesen wiederum weniger als ein Drittel in einer Vollzeittätigkeit.<br />

Da die durch den Erwerbstätigenzuschuss Begünstigten ein höheres Haushaltsnettoeinkommen erzielen<br />

sollen, werden die Kosten verglichen mit den Ausgaben für ein aufstockendes Arbeitslosengeld<br />

II steigen. Diese offenkundig hingenommene Folge entbehrt insofern nicht einer gewissen<br />

Pikanterie, als an anderer Stelle die Ausgaben für Aufstocker mit niedrigen Löhnen als Begründung<br />

für die Einführung von Mindestlöhnen herangezogen werden. Sofern man den in diesem Zusammenhang<br />

immer wieder angeführten Druck auf die Löhne bei Leistungsempfängern durch den<br />

Arbeitgeber tatsächlich als relevantes Problem ansieht, wird dieses noch vergrößert, wenn der Erwerbstätigenzuschuss<br />

organisatorisch über den Arbeitgeber abgewickelt wird (beispielsweise über<br />

einen Vermerk auf der Lohnsteuerkarte) und der Kombilohnempfänger als solcher identifiziert und<br />

unter Druck gesetzt werden kann. Kurzum, da der Erwerbstätigenzuschuss in sich widersprüchlich,<br />

teuer und kaum <strong>zur</strong> Stimulierung der Beschäftigung tauglich ist, sollte er schnell wieder von der<br />

politischen Agenda <strong>zur</strong>ückgezogen werden. Handlungsbedarf beim Nebeneinander von Arbeitslosengeld<br />

II und Erwerbseinkommen gibt es zwar durchaus, der richtige und überlegene Ansatzpunkt<br />

ist aber eine Reform der Hinzuverdienstmöglichkeiten des Arbeitslosengeld II. Ausführliche<br />

Vorschläge hierzu hat der <strong>Sachverständigenrat</strong> im Rahmen seiner Kombilohnexpertise unterbreitet<br />

(Expertise 2006b).<br />

Eine andere Meinung<br />

530. Ein Mitglied des Rates, Peter Bofinger, vertritt zu den Aussagen zum Erwerbstätigenzuschuss<br />

eine andere Meinung.<br />

Die Mehrheit der Ratsmitglieder kritisiert das Modell des Erwerbstätigenzuschusses und fordert<br />

deshalb, ihn schnell wieder von der politischen Agenda <strong>zur</strong>ückzuziehen. Der auf die Vermeidung<br />

von Hilfebedürftigkeit Erwerbstätiger zielende Zuschuss würde die Idee der Grundsicherung fundamental<br />

in Frage stellen und diese „mutige und richtige Reform“ in zentralen Teilen <strong>zur</strong>ückdrehen.<br />

531. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, worin die Intention der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“<br />

besteht. Wie schon der Name verdeutlicht, war damit wohl keine „Grundsicherung für<br />

Erwerbstätige“ intendiert. Dies wird auch in § 1 SGB II deutlich zum Ausdruck gebracht:<br />

„Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu

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