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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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Kapitel 1: Das Pflichtverletzungsmerkmal im Kontext der Organuntreue<br />

3. Treue- <strong>und</strong> Verschwiegenheitspflichten<br />

Die Anerkennung der im Aktiengesetzt nicht ausdrücklich normierten Treuepflichten<br />

beruht im Wesentlichen auf der Überlegung, dass die treuhänderische<br />

Aufgabe der Organmitglieder bei der Frage, was von ihnen verlangt werden kann,<br />

zu berücksichtigen ist. 450 Dabei wird teils stärker auf das Vertrauen des Treugebers<br />

als Geltungsgr<strong>und</strong>451 abgestellt, teils stärker auf die rein faktische Zugriffsmöglichkeit452.<br />

453 Generell bringen die Treuepflichten die Wertung zum Ausdruck, dass<br />

Organmitglieder dem Gesellschaftswohl vor ihren eigenen Interessen <strong>und</strong> denen<br />

Dritter stets den Vorrang einzuräumen haben. 454 Hierzu gehört als wesentlicher<br />

Bestandteil die Pflicht, Geschäftschancen der Gesellschaft nicht selbst zu nutzen.<br />

455 Treupflichtwidrig kann es auch sein, einen Interessenkonflikt nicht unverzüglich<br />

offenzulegen oder trotz eines solchen Konfliktes an einer Entscheidung<br />

mitzuwirken. 456<br />

Die als Unterfall der Treuepflichten zu verstehenden Verschwiegenheitspflichten<br />

ergeben sich größtenteils unmittelbar aus dem Aktiengesetz (§ 93 Abs. 1 S. 3).<br />

Ihre Verletzung verstößt ebenfalls gegen die Sorgfalt des ordentlichen <strong>und</strong> gewissenhaften<br />

Geschäftsleiters. Bei den Treu- <strong>und</strong> Verschwiegenheitspflichten zeigt<br />

sich besonders deutlich, dass das Vorstandsamt eine erhebliche Einschränkung<br />

der Handlungsfreiheit mit sich bringt, was dem ersten Anschein nach gegen eine<br />

umfassende Untreuebewehrung dieser Pflichten spricht. Betrachtet man jedoch<br />

die Handlungsweisen, die die Treue- <strong>und</strong> Verschwiegenheitspflicht verletzen, wird<br />

ihre soziale Unerträglichkeit ebenfalls deutlich: Nimmt ein Vorstandsmitglied die<br />

Chance zu einem profitablen Geschäft für sich selbst war, schädigt er die Gesellschaft<br />

durch Verwendung einer Information, zu der er nur wegen seiner<br />

Vermögensbetreuerstellung Zugang hatte. Das Gleiche gilt beim Ausplaudern<br />

eines Geschäftsgeheimnisses. Man wird wohl kaum sagen können, die Bestrafung<br />

eines solchen Verhaltens verstoße gegen das Subsidiaritätsprinzip. Und dass das<br />

Bestimmtheitsgebot gegen die Untreuebewehrung der Sorgfalt des ordentlichen<br />

<strong>und</strong> gewissenhaften Geschäftsleiters sprechen soll, zeigt sich an Treuepflichten<br />

450Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 4; Langenbucher, § 4 Rn. 73; Lutter,<br />

ZIP 2007, S. 841 (843); Hopt/Roth, in: Großkomm.-AktG, § 116 Rn. 173 ff.; Spindler, ZIP 2006, S.<br />

349 (350).<br />

451Zöllner, Stimmrechtsmacht (1963), S. 342 ff.<br />

452Fleischer, WM 2003, S. 1045 (1046); Hopt, ZGR 2004, S. 1 (18 ff.).<br />

453Auch hier herrscht also ein Streit zwischen Missbrauchs- <strong>und</strong> Treubruchstheorie.<br />

454Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 102; Hopt, in: Großkomm.-AktG, § 93 Rn. 73; Krieger/Sailer,<br />

in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 16; Langenbucher, § 4 Rn. 73; Mertens/Cahn, in: Köln. Komm.-AktG, § 93<br />

Rn. 96.<br />

455Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 23; Hopt, in: Großkomm.-AktG, §<br />

93 Rn. 166; Lutter, ZIP 2007, S. 841 (843).<br />

456Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 12; ders., WM 2003, S. 1045 (1050);<br />

Hopt, in. Großkomm.-AktG, § 93 Rn. 185. Hier gibt es allerdings weitgehende Überschneidungen<br />

mit der internen Pflichtenbindung, da das Aktiengesetz selbst häufig bindende Anordnungen trifft,<br />

die der Verhinderung von Interessenkonflikten dienen, wie z.B. in §§ 88, 89 <strong>und</strong> 112 AktG.

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