Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

E) Der Kodex im Zusammenspiel mit § 161 AktG
halten werden, erfährt der Kapitalmarkt erst durch die Entsprechenserklärung.
Und noch deutlicher wird die enge Verknüpfung von Kodex und
Entsprechenserklärung im Hinblick auf die Ordnungsfunktion. Gäbe es die Erklärungspflicht
nicht, bestünde kein Grund, sich mit den Anforderungen des Kodex
ernsthaft auseinanderzusetzen, so dass man sie weitgehend ignorieren könnte. So
sinnlos wie die Erklärungspflicht aus § 161 AktG ohne den Kodex wäre, so kraftlos
wäre der Kodex also ohne die Erklärungspflicht. Erst, wenn die beiden Instrumente
als Einheit betrachtet werden, entfalten sie die von Gesetzgeber, Regierung
und Kodexkommission beabsichtigte Wirkung, die auch die Baums-
Kommission schon im Blick hatte.
II. Der faktische Befolgungsdruck
1. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines faktischen Befolgungsdrucks
Dass die Verbesserung der Corporate Governance auf diesem Umweg erfolgen
soll, ist zumindest für unsere Rechtsordnung vollkommen untypisch. Es werden
die „Anreiz- und Kontrollfunktionen des Kapitalmarktes“ nutzbar gemacht. 1041
Man kann auch von „kapitalmarktorientierter Unternehmensführung“ sprechen.
1042
Denn der Gesetzgeber ist von der Prämisse ausgegangen, dass die Offenlegungspflicht
dazu führt, dass der Kapitalmarkt eine Nichtbeachtung des Kodex
sanktionieren wird: Es kann nach Ansicht des Gesetzgebers also ein mittelbarer
Zwang zur Einhaltung der Verhaltensempfehlungen dadurch entstehen, dass der
Markt auf Abweichungen per se negativ reagieren wird1043 und die überwiegende
Meinung im Schrifttum geht davon aus, dass diese Prämisse zutrifft. 1044 Von ihr ist
der Gesetzgeber auch bei der Schaffung der auf die Entsprechenserklärung abstellenden
Vorschriften in §§ 285, 314 und 325 HGB ausgegangen. 1045 Zwar soll den
Unternehmen nicht die Möglichkeit genommen werden, eigene Corporate
Governance Grundsätze zu entwickeln. Aber durch die Erklärungspflicht (neuer-
1041Assmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 48.
1042Schüppen, ZIP 2002, S. 1269. Vgl. auch Bertrams, Haftung (2003), S. 44.
1043Bertrams, Haftung (2003), S. 45; Claussen/Bröcker, AG 2000, S. 481; Hanfland, Haftungsrisiken
(2006), S. 28; Pfitzer/Oser/Wader, DB 2002, S. 1120; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, S. 326 (329); Schüppen,
ZIP 2002, S. 1269 (1271); Seibert, BB 2002, S. 581; Seibt, AG 2002, S. 249 (250); Semler, in:
MüKo-AktG, § 161 Rn. 4; Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 161 Rn. 2; Ulmer, ZHR 166 (2002), S. 150
(151); ders., AcP 202 (2002), S. 143 (167).
1044Siehe etwa Semler, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 10. Häufig wird allerdings betont, dass es für eine
solche Sanktionierung durch den Kapitalmarkt keine empirischen Belege gebe. Siehe Sester, in: Spindler/Stilz,
§ 161 Rn. 10; Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 161 Rn. 2. Siehe hierzu ebenfalls überaus
skeptisch und mit zahlreichen empirischen Einwänden Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, S. 252 (261
ff.). Ob eine solche Wirkung tatsächlich besteht, kann hier nicht weiter vertieft werden.
1045Siehe die Begründung des Regierungsentwurfes zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 21.
Siehe auch Bertrams, Haftung (2003), S. 57; Schüppen, ZIP 2002, S. 1269 (1271); Ulmer, ZHR 166
(2002), S. 150 (157).
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