12.12.2012 Aufrufe

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

158<br />

Kapitel 1: Das Pflichtverletzungsmerkmal im Kontext der Organuntreue<br />

Schadensersatzansprüchen aussetzt.“ 694 Als Beispiel wird die Haftung der Gesellschaft<br />

nach §§ 31, 278 <strong>und</strong> 831 BGB genannt. Diese Ansicht kann dahingehend<br />

interpretiert werden, dass es für bestimmte Vermögensbetreuer eine allgemeine<br />

Pflicht gibt, keine Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft auszulösen,<br />

also als besonderer Fall des zuvor erörterten „allgemeinen Schädigungsverbots“.<br />

Ob das Auslösen von Sanktionen <strong>und</strong> Schadensersatzansprüchen gegen die<br />

Gesellschaft durch einen Vermögensbetreuungspflichtigen als Pflichtverletzung<br />

iSd § 266 StGB angesehen werden kann, ist allerdings umstritten. In der Vergangenheit<br />

ist diese Fragestellung z.B. im Zusammenhang mit Verstößen gegen das<br />

Parteiengesetz aufgetaucht: So wurde in Erwägung gezogen, ob Helmut Kohl eine<br />

Pflichtverletzung im Sinne der Untreue begangen hat, indem er den Landesverband<br />

der CDU Sanktionen nach dem Parteiengesetz ausgesetzt hat. Anlässlich des<br />

Falles Kirch/Deutsche Bank hat sich die Frage gestellt, ob der Vorstandssprecher der<br />

Deutsche Bank AG Breuer eine Pflichtverletzung im Sinne der Untreue begangen<br />

hat, indem er die AG durch Äußerungen, die einen Dritten schädigten, wegen § 31<br />

BGB einem Schadensersatzanspruch des Dritten ausgesetzt hat. 695<br />

Stets geht es hierbei um die Frage, ob eine Pflichtverletzung bejaht werden<br />

kann, obwohl die primär verletzte Norm nicht dazu bestimmt ist, das Vermögen<br />

der AG zu schützen. Autoren, die nur einen objektiven Vermögensbezug der<br />

verletzten Pflicht verlangen, bejahen dies mit dem Argument, durch die<br />

Sanktionierbarkeit erlange die Verhaltensnorm einen ausreichenden Bezug zum<br />

Vermögen des Treugebers. Andere stützen die Bejahung einer Pflichtverletzung<br />

auf das allgemeine Schädigungsverbot. Autoren, die meinen, die verletzte Verhaltenspflicht<br />

müsse dazu bestimmt sein, das Vermögen des Treugebers zu schützen,<br />

verneinen zumeist eine Pflichtverletzung.<br />

Des Rückgriffs auf ein Schädigungsverbot bedarf es allerdings nicht, wenn<br />

man richtigerweise mit der hier vertretenen Auffassung auf einen Zusammenhang<br />

der verletzten Einzelnorm mit dem Vermögen der AG vollständig verzichtet: Der<br />

Verstoß gegen die nicht schutzzweckkonnexe Einzelnorm löst dann nicht nur die<br />

Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten bzw. die Pflicht zur Zahlung von<br />

Geldbußen aus, sondern eröffnet gleichzeitig den Weg zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

wegen Untreue, die dann allerdings vom Vorliegen eines Vermögensnachteils<br />

im Sinne von § 266 StGB abhängt. Der Weg zur strafrechtlichen<br />

Verantwortlichkeit wegen Untreue ist nach diesem Verständnis deshalb eröffnet,<br />

weil der Verstoß gegen eine einen Dritten schützende oder sanktionierte Verhaltensnorm<br />

zugleich ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht der Organmitglieder<br />

<strong>und</strong> somit gegen das Programm des ordentlichen <strong>und</strong> gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

ist.<br />

694Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 37.<br />

695 BGH Urteil vom 24. 1. 2006 – XI ZR 384/03=ZIP 2006, S. 317 ff. Es war z. B. von Tiedemann<br />

angemerkt worden, solche Äußerungen, die zur Schadensersatzpflicht der eigenen Gesellschaft<br />

führen, könnten eine Untreue zu Lasten der Gesellschaft darstellen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!