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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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302<br />

Kapitel 3: Das Abweichen vom Kodex als Pflichtverletzung<br />

Die hier befürwortete bloße Wirkung als Anhaltspunkt der übrigen<br />

Kodexbestimmungen, die nur bei der Beantwortung der Rechtsfrage, was die<br />

Sorgfalt eines ordentlichen <strong>und</strong> gewissenhaften Organmitglieds im Einzelfall erfordert<br />

<strong>und</strong> ggf. bei der Auslegung anderer unbestimmter Rechtsbegriffe des Aktienrechts<br />

relevant wird, dürfte in verfassungsrechtlicher Hinsicht hingegen kaum<br />

zu beanstanden sein. Selbst bei einer weitgehenden Selbstbindung an von Privaten<br />

gesetzte Normen, wie z.B. an solche des DIN oder des FIS behält die Rechtsprechung<br />

sich vor, von Einzelfall zu Einzelfall von neuem darüber zu entscheiden,<br />

ob die jeweilige Bestimmung (noch) dem Stand der Technik bzw. der im<br />

Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht, so dass stets die Möglichkeit einer<br />

normativen Gegenkorrektur besteht. Da die hier vorgeschlagene Wirkung als bloßer<br />

rechtlicher Anhaltspunkt noch nicht einmal einen solchen Verbindlichkeitsgrad<br />

erreicht, wird man sagen können, dass das Demokratieprinzip <strong>und</strong> der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Volkssouveränität durch die Berücksichtigung der<br />

Kodexbestimmungen nicht berührt werden. Die Unbedenklichkeit ergibt sich<br />

auch daraus, dass die Befürwortung bestimmter Corporate Governance Praktiken<br />

durch die Kodex-Kommission letztlich nichts anderes darstellt als eine Rechtsansicht.<br />

Denn Rechtsansichten dürfen im Rahmen der gerichtlichen Beurteilung<br />

stets verwertet werden.<br />

Selbstverständlich darf sich der Staat, wie es das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

immer wieder betont, seiner Normsetzungsbefugnis nicht „in beliebigem Umfang“<br />

durch Übertragung auf Dritte entäußern, da der Bürger ansonsten schrankenlos<br />

einer normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen ausgeliefert<br />

wäre. 1264 Aber allein schon die einschränkende Formulierung, in der von „beliebigem<br />

Umfang“ die Rede ist, zeigt, dass die Beteiligung Privater an der Entstehung<br />

von Normen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. 1265 Es<br />

darf zwar nicht pauschal auf private Normen Bezug genommen werden. 1266 Aber<br />

hiervon ist die hier vorgeschlagene, zurückhaltende Berücksichtigung der<br />

Kodexbestimmungen auch weit entfernt.<br />

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Kodex einer<br />

Rückführbarkeit auf den Willen des Volkes auch nicht vollständig entbehren.<br />

Denn eine Anerkennung der Kodexbestimmungen als gemeinwohlverträglich hat<br />

bereits durch die Bezugnahme in § 161 AktG stattgef<strong>und</strong>en. Über viele ungeschriebene<br />

Verhaltensnormen die z.B. im Rahmen der Prüfung der im Verkehr<br />

erforderlichen Sorgfalt von Gerichten vorausgesetzt werden, lässt sich dies nicht<br />

sagen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass allein durch die Zusammenstellung<br />

der Kodexkommission schon eine gewisse Interessenpluralität vorhanden ist,<br />

da in der Kommission nicht nur Organmitglieder börsennotierter Aktiengesell-<br />

1264BVerfGE 64, 209 (214); BVerfGE 47, 285 (315); BVerfGE 33, 125 (158).<br />

1265Bachmann, WM 2002, S. 2137 (2142)<br />

1266Bachmann, WM 2002, S. 2139 (2142); Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen (1990), Rn.<br />

144; Marburger, Regeln der Technik (1977-1978), S. 390 ff.

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