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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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Kapitel 1: Das Pflichtverletzungsmerkmal im Kontext der Organuntreue<br />

irrelevant. Das Berücksichtigen einer nicht schutzzweckkonnexen, dem Täter<br />

auferlegten Verhaltensnorm wäre ein Übermaß.<br />

Bei § 266 StGB besteht hingegen eine Sonderbeziehung zwischen Täter <strong>und</strong><br />

Opfer, in den hier interessierenden Fällen also zwischen Vorstand <strong>und</strong> AG bzw.<br />

zwischen Aufsichtsrat <strong>und</strong> AG. Auch hier sieht sich der poten<strong>ziel</strong>le Täter mit<br />

einer schier unendlichen Zahl von Rechtsnormen konfrontiert, wenn man richtigerweise<br />

in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG eine umfassende Legalitätspflicht verankert sieht.<br />

Doch in diesem Verhältnis werden die Normen nicht von außen an den Täter<br />

herangetragen, ohne dass er hierauf Einfluss hat. Vielmehr begibt er sich in eine<br />

Position, von deren Inhabern in jeder Hinsicht rechtstreues Wahrnehmen der mit<br />

der Position verb<strong>und</strong>enen Aufgaben verlangt wird. Und er begibt sich freiwillig in<br />

diese Position.<br />

Dass das Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs sich auf die Aufgabe<br />

des Strafrechts zurückführen lässt, nur Rechtsgüter zu schützen, hat bei der Untreue<br />

seine Unanwendbarkeit zur Folge. Denn der zu schützende Ausschnitt des<br />

Vermögens lässt sich bei der Untreue nicht ohne Berücksichtigung der Dispositionsbefugnis<br />

bestimmen. Der Vermögensinhaber zeichnet diesen Ausschnitt durch<br />

die Anweisungen, wie mit dem Vermögen umzugehen ist, vor. Er erledigt somit<br />

einen wesentlichen Teil des Rechtsgüterschutzes selbst, indem er selbst entscheidet,<br />

was unerlaubt riskant ist <strong>und</strong> was nicht. Der Untreuetatbestand muss diesen<br />

Selbstschutz nur noch flankieren, indem er bei schadensstiftenden Zuwiderhandlungen<br />

gegen die vom Vermögensinhaber getroffenen Entscheidungen Platz<br />

greift. Dies ist bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit anders: Dem Einzelnen ist weitgehend<br />

die Entscheidungsfreiheit darüber entzogen, welche mit seinen Rechtsgütern<br />

in Berührung geratenden Verhaltensweisen im „allgemeinen Verkehr“ erlaubt<br />

oder unerlaubt riskant sind, da keine funktionierende Rechtsordnung zustande<br />

käme, wenn jeder hierüber selbst bestimmt. Daher gelten für alle dieselben Verhaltensregeln.<br />

Bei der Untreue hat der Treugeber jedoch die Befugnis, die unerlaubten<br />

Verhaltensweisen selbst zu bestimmen. Wegen dieses Unterschieds kann<br />

das Kriterium des Schutzzweckzusammenhangs bei der Untreue nicht gelten.<br />

Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Dispositionsbefugnis des Vermögensinhabers<br />

einen flankierenden Schutz zur Seite zu stellen, wird durch das Erfordernis<br />

des Schutzzweckzusammenhangs unterlaufen. Denn diese Dispositionsfreiheit<br />

umfasst die volle Entscheidungsmacht darüber, welche Dispositionen mit<br />

dem Vermögen vorgenommen werden sollen. Auch die Frage, welche Normen<br />

eingehalten werden sollen, ist hiervon umfasst. Wie man zum Beispiel am Bereich<br />

„Islamic Finance“ 692 sieht, können sogar religiöse Gebote eine Rolle dafür spielen,<br />

welcher Umgang mit dem Vermögen erlaubt ist. Im Interesse von Rechtssicherheit,<br />

Verlässlichkeit <strong>und</strong> Berechenbarkeit der Entscheidungen von Organmitgliedern<br />

hat sich die Erwartung herausgebildet, sämtliche Rechtsnormen sollen einge-<br />

692Siehe dazu etwa Mahlknecht, Islamic Finance, Berlin 2008.

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