Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

C) Fallgruppe 3: Abweichen von gesellschaftsintern transformierten Bestimmungen
Vorstandsmittglieder festzulegen, so dass eine Mindestgrenze von zwei oder mehreren
Personen erst recht zulässig ist.
Fraglich ist, ob auch die im selben Satz enthaltene Empfehlung, wonach der
Vorstand einen Vorsitzenden oder Sprecher haben soll, transformiert werden
kann. Hieran könnte man angesichts der Vorschrift des § 84 Abs. 2 AktG zweifeln,
welche die Kompetenz zur Ernennung des Vorstandsvorsitzenden, wie bereits
erörtert, dem Aufsichtsrat zuweist, so dass durch eine Transformation seine
Aufgabe der ordnungsgemäßen Vorstandsbestellung berührt ist. Dementsprechend
herrscht im Schrifttum auch weitgehende Einigkeit darüber, dass die
Hauptversammlung die Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden durch eine Satzungsbestimmung
weder vorschreiben noch verbieten kann. 1324 Dieser Ansicht ist
zu folgen. Zwar darf nach § 77 Abs. 2 S. 2 AktG die Satzung Einzelfragen der
Geschäftsordnung des Vorstands regeln. Vorzuschreiben, dass der Vorstand einen
Vorsitzenden haben soll, greift jedoch zu stark in die Kompetenzen des Aufsichtsrats
ein. Denn es geht nicht lediglich um eine Geschäftsverteilungsfrage, die nach
§ 77 Abs. 2 S. 2 AktG unbedenklich durch die Hauptversammlung beantwortet
werden könnte, sondern um eine unternehmenspolitische Entscheidung, die unter
Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Personals und der Zusammensetzung
des Vorstands getroffen werden muss. 1325 Daher kann diese Empfehlung
nicht in eine Satzungsbestimmung transformiert werden. 1326
Dasselbe gilt für die alternativ empfohlene Ernennung eines Vorstandssprechers,
da eine Entscheidung der Hauptversammlung hierüber die Selbstorganisationskompetenz
des Vorstands in gleichem Maße einschränken würde. Zweifelhaft
ist auch die Transformationsfähigkeit der Empfehlung in Ziffer 4.2.1 S. 2 DCGK,
der zufolge eine Geschäftsordnung die Arbeit des Vorstands, insbesondere die
Ressortzuständigkeiten, die dem Gesamtvorstand vorbehaltenen Angelegenheiten
und die erforderliche Beschlussmehrheit regeln soll. Fraglich ist erstens, ob eine
Satzungsbestimmung vorschreiben kann, dass überhaupt eine Geschäftsordnung
erlassen wird und zweitens ob die Bestimmung vorsehen kann, dass die in Ziffer
4.2.1 S. 2 DCGK genannten Materien durch die Geschäftsordnung geregelt werden.
Dies wird man angesichts der zuvor erläuterten Vorschrift des § 77 Abs. 2 S.
2 AktG bejahen müssen. 1327 Da nach dieser Vorschrift sogar Einzelfragen der
noch zu erlassenden Geschäftsordnung geregelt werden dürfen, muss die Hauptversammlung
erst recht bestimmen können, dass eine Geschäftsordnung überhaupt
erlassen wird. Was den in Ziffer 4.2.1 S. 2 DCGK angesprochenen Inhalt
angeht, ist eine Transformation ebenfalls möglich. Zu den in § 77 Abs. 2 S. 2
1324Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 86; Mertens/Cahn, in: Köln. Komm.-AktG, § 84 Rn. 101;
Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 100; Wiesner, in: Münchener Handbuch AG, § 24 Rn. 2; a.A.
Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, Rn. 440, denen zufolge die Hauptversammlung nur keine bestimmte
Person zur Besetzung der Position bestimmen kann.
1325Mertens/Cahn, in: Köln. Komm.-AktG, § 84 Rn. 101.
1326A.A. Hanfland, Haftungsrisiken (2006), S. 145.
1327So auch Hanfland, Haftungsrisiken (2006), S. 145 f.
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