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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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Kapitel 4: Das Abweichen von § 161 AktG als Pflichtverletzung<br />

So wenig eine wahrheitsgemäße Entsprechenserklärung pflichtwidrig sein<br />

kann, so wenig sagt dies darüber aus, ob es pflichtwidrig ist, im Rahmen der Unternehmensführung<br />

von nicht nach § 161 AktG angenommenen<br />

Kodexbestimmungen abzuweichen. Dass vom Kodex abweichende Unternehmensführungsmaßnahmen<br />

unter Umständen als Pflichtverletzung im Sinne der<br />

Untreue gewertet werden können, widerspricht weder dem gesetzgeberischen<br />

Willen, noch dem Gr<strong>und</strong>satz der Einheit <strong>und</strong> Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung<br />

<strong>und</strong> führt auch nicht zur Einebnung des Unterschieds zwischen Pflichtverletzung<br />

<strong>und</strong> Vermögensnachteil.<br />

Denn der normative Einfluss der Kodexbestimmungen auf die Bewertung von<br />

Verhaltensweisen im Rahmen der Unternehmensführung als Pflichtverletzung<br />

beschränkt sich darauf, dass die Wertungen des Kodex bei der Beantwortung von<br />

Rechtsfragen als Anhaltspunkt berücksichtigt werden können. Dass hierdurch die<br />

Eigenständigkeit des Pflichtverletzungsmerkmals gegenüber dem<br />

Vermögensnachteilsmerkmal nicht aufgehoben wird, ergibt sich daraus, dass dieser<br />

normative Einfluss der Kodexbestimmungen unabhängig von einem allgemeinen<br />

Schädigungsverbot ist. Denn die Pflichtwidrigkeit muss hier gerade nicht aus<br />

einem etwaigen Schaden rückgeschlossen werden, der durch die negative Reaktion<br />

des Kapitalmarktes auf die Ablehnung des Kodex entsteht. Die (sehr eingeschränkte)<br />

Geltungskraft des Kodex basiert nämlich nach der hier vertretenen<br />

Auffassung nicht auf der empirisch bisher nicht nachgewiesenen Annahme, der<br />

Kapitalmarkt werde auf die Ablehnung des Kodex negativ reagieren. Die normative<br />

Kraft beruht vielmehr auf einer (eingeschränkten <strong>und</strong> relativ leicht zu widerlegenden)<br />

Richtigkeitsvermutung, die sich in erster Linie auf die fachliche Kompetenz<br />

der Kodexkommission stützt.<br />

Dass der Gr<strong>und</strong>satz der Einheit <strong>und</strong> Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung<br />

hierdurch nicht verletzt wird, ergibt sich daraus, dass § 161 AktG keine Legalisierung<br />

sämtlicher vom Kodex abweichender Verhaltensweisen im Rahmen der Unternehmensführung<br />

immanent ist. Zwar wollte der Gesetzgeber die Organmitglieder<br />

angesichts des ohnehin engmaschigen Regelungsgeflechts des Aktienrechts<br />

nicht mit zusätzlichen Gesetzesbestimmungen belasten <strong>und</strong> ihnen durch die Abweichungsmöglichkeit<br />

nach § 161 AktG einen gewissen Freiraum zur Schaffung<br />

eines alternativen Corporate Governance Modells gewähren. Aber das bedeutet<br />

nicht, dass ihnen damit die Erlaubnis erteilt werden sollte, sämtliche im Kodex<br />

zum Ausdruck gekommenen Verhaltensanweisungen zu missachten. Dafür spricht<br />

schon, dass einige Kodexbestimmungen ohnehin geltende Sorgfaltsanforderungen<br />

für den ordentlichen <strong>und</strong> gewissenhaften Geschäftsleiter lediglich erstmals schriftlich<br />

fixieren. Diese aufzuheben, war ersichtlich nicht im Sinne des Gesetzgebers.<br />

Die Senkung von Sorgfaltsanforderungen war vielmehr überhaupt nicht seine<br />

Absicht.

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