Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

D) Der Inhalt des Kodex und seine Struktur
und 2 DCGK durch weitere Empfehlungen näher ausgestaltet. Bei der Ausgestaltung
der variablen Vergütungsteile soll der Aufsichtsrat dafür sorgen, dass sie
sowohl positiven als auch negativen Entwicklungen Rechnung tragen. Sie sollen
auf anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter bezogen sein. Eine nachträgliche
Änderung der Erfolgsziele oder der Vergleichsparameter soll ausgeschlossen
sein.
Eine der umstrittensten Kodexempfehlungen ist in Ziffer 4.2.3 Abs. 4 S. 1
DCGK niedergelegt. Bei Abschluss von Vorstandsverträgen soll ein sog. Abfindungs-Cap
vereinbart werden. Das bedeutet, dass der Aufsichtsrat darauf achten
soll, dass Abfindungszahlungen bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit
ohne wichtigen Grund den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht übersteigen
und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags vergüten. 975 Diese
Empfehlung war bereits Gegenstand eines Rechtsstreits, der sogar vor den zweiten
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gelangte, welcher hierzu ausdrücklich statuierte,
dass bei Nichtbefolgung eine negative Entsprechenserklärung abgegeben
werden muss. 976 Die Empfehlung des Abfindungs-Caps ist eine der am wenigsten
befolgten Empfehlungen des ganzen Kodex. Die Befolgungsquote liegt den einschlägigen
empirischen Untersuchungen zufolge nur bei etwa 50 %. 977 In Anbetracht
der geltenden Rechtslage ist dies jedoch kaum verwunderlich: 978 Denn nach
§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG kann ein Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied
ohne wichtigen Grund nicht erfolgen. Auch der neben der aktienrechtlichen Bestellung
vorhandene befristete Dienstvertrag kann nach § 626 BGB nur aus wichtigem
Grund gekündigt werden. Somit kann die Empfehlung nur so verstanden
werden, dass das Abfindungscap als vertragliche Regelung schon bei Abschluss
des Vertrags installiert werden soll und dass der Aufsichtsrat im Falle eines schon
geschlossenen Vertrags versuchen soll, den Vorstand zu einem Änderungsvertrag
zu bewegen, was kaum gelingen wird.
Für eine eventuelle Untreuestrafbarkeit ist die Empfehlung eines Abfindungs-
Caps von großer Relevanz, da sie ersichtlich dem Schutz der Gesellschaft vor
überhöhten Abfindungszahlungen dient 979 und ein Schaden zumeist schon unmit-
975Nach S. 2 soll für die Berechnung des Abfindungs-Caps auf die Gesamtvergütung des abgelaufenen
Geschäftsjahres und ggf. auch auf die voraussichtliche Gesamtvergütung für das laufende Geschäftsjahr
abgestellt werden. Zudem soll nach Abs. 5 eine Zusage für Leistungen aus Anlass der
vorzeitigen Beendigung der Vorstandstätigkeit infolge eines Kontrollwechsels (sog. Chance of
Control) 150 % des Abfindungs-Caps nicht übersteigen. Des Weiteren soll der Aufsichtsratsvorsitzende
nach Abs. 5 die Hauptversammlung über die Grundzüge des Vergütungssystems und deren
Veränderung informieren.
976BGH, Urteil vom 16.2.2009 - II ZR 185/07=BB 2009, S. 796 (798).
977Siehe den Kodex-Report von v. Werder/Talaulicar, DB 2009, S. 689 (694).
978Siehe zum Ganzen Hüffer, § 84 Rn. 26; Tödtmann/Schauer, ZIP 2009, S. 995 (996).
979Selbst die restriktivste Meinungsgruppe, welche einen Schutzzweckbezug fordert, kann hier also
eine Pflichtverletzung im Sinne der Untreue bejahen.
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