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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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A) Fallgruppe 1: Abweichen von nicht nach § 161 angenommenen Bestimmungen<br />

auch in jeder „staatlich initiierten Selbstregulierung“. Zu Recht sieht Möllers in §<br />

161 AktG eine solche Inklusionsnorm, die ausreicht, um den Kodex als „sek<strong>und</strong>äre<br />

Rechtsquelle“ anzusehen. Wendet man das „bewegliche“ System auf den Kodex<br />

an, liegt es angesichts der großen fachlichen Autorität der Kodex-<br />

Kommission, seiner Dauerhaftigkeit <strong>und</strong> großen Akzeptanz nahe, eine Vermutungswirkung<br />

des Kodex insofern anzunehmen, als kodexgemäßes Verhalten die<br />

Vermutung der Pflichtgemäßheit trägt. Dagegen spricht allerdings, dass die<br />

Baums- <strong>und</strong> die Kodex-Kommission sowie der Gesetzgeber eine Rechtsvermutungswirkung<br />

des Kodex als Möglichkeit in Betracht gezogen, sie letztlich aber<br />

bewusst verworfen haben (dazu sogleich). Eine solche Vermutungswirkung widerspräche<br />

also dem Willen des Gesetzgebers <strong>und</strong> ist daher nicht anzuerkennen. Allerdings<br />

käme nach dem System von Möllers immer noch eine Befassungspflicht<br />

der Gerichte in Betracht. Es müsste dann als Pflicht des Richters angesehen werden,<br />

in rechtlichen Fragen der Corporate Governance den Kodex zumindest zu<br />

beachten <strong>und</strong> in die rechtlichen Erwägungen einzubeziehen.<br />

Ob die Argumente für das Konzept der „sek<strong>und</strong>ären Rechtsquelle“ zwingend<br />

für eine Aufhebung der Dichotomie von Rechts- <strong>und</strong> Rechtserkenntnisquellen<br />

sprechen, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Gegen eine neue, zwischen<br />

Rechts- <strong>und</strong> Rechtserkenntisquellen liegende Kategorie spricht allerdings,<br />

dass die verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätze der Volkssouveränität <strong>und</strong> der richterlichen<br />

Unabhängigkeit durch ihre Anerkennung in beträchtlichem Maße tangiert<br />

sind. Auch wenn solchen sek<strong>und</strong>ären Rechtsquellen keine besonders starke Bindungswirkung<br />

beigemessen wird, bedeutet eine zwischen den Rechts- <strong>und</strong> den<br />

Rechtserkenntnisquellen anzusiedelnde Kategoerie dennoch eine Öffnung des<br />

Rechts für Normen, die sich nicht auf den Willen des Volkes zurückführen lassen.<br />

Jede Rechtswirkung privater Regelwerke, die über eine freiwillige Selbstbindung<br />

der Gerichte hinausgeht (dazu sogleich), ist angesichts der ihrem Wortsinn nach<br />

keine Ausnahme duldenden Aussage des Art. 97 Abs. 1 GG, Richter seien nur<br />

dem Gesetz unterworfen, problematisch. Wendet man das Konzept von Möllers<br />

auf den Kodex an, besteht eine Pflicht der Gerichte, die Bestimmungen des Kodex<br />

zumindest zu beachten. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass eine solche<br />

Befassung in vielen Fällen bereits geschehen ist, wenn auch auf freiwilliger Basis.<br />

Aber eine Pflicht, sich mit dem Kodex zu befassen, ist nach der hier vertretenen<br />

Auffassung nicht sachgerecht <strong>und</strong> stellt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>satzes der richterlichen Unabhängigkeit dar. Daher kann eine Befassungspflicht<br />

nach der hier vertretenen Auffassung nur vorliegen, soweit sich Verfahrensbeteiligte<br />

auf den Kodex berufen. Sie folgt dann allerdings aus dem<br />

Gr<strong>und</strong>recht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG <strong>und</strong><br />

nicht aus der Rechtsnatur des Kodex als sek<strong>und</strong>äre Rechtsquelle.<br />

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