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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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Kapitel 1: Das Pflichtverletzungsmerkmal im Kontext der Organuntreue<br />

Hinsicht erfordert <strong>und</strong> kann sich nicht auf mangelnde Fähigkeiten oder ungenügendes<br />

Wissen berufen, weshalb kaum Fälle denkbar sind, in denen zwar eine<br />

Pflichtverletzung, aber kein Verschulden vorliegt. 369 Da vorliegend nur Verhaltenspflichten<br />

analysiert werden sollen, ist auf diesen Verschuldensmaßstab auch<br />

nicht weiter einzugehen.<br />

Zentral für die Untersuchung ist hingegen die Funktion der Maßstabsfigur als<br />

Pflichtenquelle. Der Maßstab des ordentlichen <strong>und</strong> gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

ist eine generalklauselartige Umschreibung eines Verhaltensprogramms, aus<br />

dem einzelne Verhaltenspflichten abgeleitet werden können. 370 Das liegt daran,<br />

dass angesichts der Vielgestaltigkeit der Aufgaben von Vorstandsmitgliedern ihre<br />

Pflichten unmöglich abschließend in gesetzlichen Vorschriften fixiert werden<br />

können <strong>und</strong> dass die Verhaltenspflichten situationsbezogen ermittelt werden müssen.<br />

371 Soweit keine Spezialnormen vorliegen, muss also durch Rechtsprechung<br />

<strong>und</strong> Schrifttum theoretisch für jede denkbare Situation eine Handlungsanweisung<br />

für den Vorstand herausgearbeitet werden, die er mindestens erfüllen muss, damit<br />

sein Verhalten noch als hinreichend sorgfältig gelten kann. 372 Dieser Gr<strong>und</strong>satz<br />

findet jedoch seine Grenzen im unternehmerischen Beurteilungs- <strong>und</strong> Ermessensspielraum.<br />

Soweit dieser reicht, liegt keine Pflichtverletzung vor (siehe unten Kap.<br />

1 I 4). Die in Spezialregelungen enthaltenen <strong>und</strong> die § 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu<br />

entnehmenden Verhaltenspflichten bilden also diejenige Summe, die hier als<br />

Pflichtenprogramm bezeichnet wird.<br />

Sie lassen sich unterteilen in sog. Sorgfalts-, Treue- <strong>und</strong> Verschwiegenheitspflichten.<br />

373 Sorgfaltspflichten gehen aus der Aufgabe der eigenverantwortlichen<br />

Leitung der Aktiengesellschaft hervor <strong>und</strong> regeln ihre Wahrnehmung. Beschrieben<br />

ist mit dem Begriff der Sorgfaltspflichten also die Summe der Pflichten, deren<br />

Einhaltung von einem pflichtbewussten, selbstständig tätig werdenden Unternehmensleiter<br />

erwartet werden dürfen. 374 Sie werden aus den für die Wahrnehmung<br />

der Leitungsaufgabe anerkannten allgemeinen Prinzipien abgeleitet, lassen sich<br />

also auf diese zurückführen. 375<br />

Unter Treuepflichten versteht man diejenigen Handlungspflichten, die sich daraus<br />

ergeben, dass der Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe stets den<br />

369Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 193; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 158.<br />

370Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93<br />

Rn. 10; ders., ZIP 2005, S. 141 (142); Langenbucher, § 4 Rn. 76; Mertens/Cahn, in: Köln. Komm.-AktG,<br />

§ 93 Rn. 11; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 20.<br />

371Siehe Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 1. Vgl. auch Langenbucher, § 4<br />

Rn. 76. Da Verhaltenspflichten stets nur situationsbezogen gedacht werden können, ist hiermit nicht<br />

viel mehr gewonnen als die Erkenntnis, dass die Spezialnormen nicht abschließend sind.<br />

372Siehe Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 2.<br />

373Hopt, in: Großkomm.-AktG, § 93 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: Köln. Komm.-AktG, § 93 Rn. 1 ff.;<br />

Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 20 ff.,92 ff., 96 ff.<br />

374Siehe Hüffer, § 93 Rn. 4; Langenbucher, § 4 Rn. 73.<br />

375Vgl. Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 2.

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