12.12.2012 Aufrufe

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

358<br />

Kapitel 4: Das Abweichen von § 161 AktG als Pflichtverletzung<br />

erörtert wurde (Kapitel 3 B), ist das Abweichen vom Kodex zwar auch nach Abgabe<br />

einer positiven Entsprechenserklärung nicht pflichtwidrig, es ist aber auch<br />

nicht folgenlos, sondern wirkt auf die aus § 161 AktG folgenden Erklärungspflichten<br />

zurück. 1406 Hierin liegt ein sachgerechter, die Interessen des Kapitalmarkts an<br />

zutreffender Information <strong>und</strong> diejenigen der Organmitglieder an Flexibilität der<br />

Unternehmensführung in angemessener Weise zum Ausgleich bringender Mittelweg<br />

zwischen einer Bindungswirkung der Entsprechenserklärung <strong>und</strong> einer völligen<br />

Folgenlosigkeit des Abweichens von derselben. 1407<br />

II. Pflicht zur Korrektur der retrospektiven Aussage?<br />

Auch der retrospektive Teil einer Entsprechenserklärung kann sich als fehlerhaft<br />

herausstellen. Die Erklärung war dann bereits im Zeitpunkt der Abgabe unzutreffend.<br />

Kommt dies später zum Vorschein, gilt nichts anderes als im Falle der Absichtsänderung.<br />

1408 Denn die zuvor erläuterten Schutzzweckerwägungen greifen<br />

auch bei einer insofern falschen Entsprechenserklärung. Durch falsche Informationen<br />

über die Einhaltung des Kodex in der Vergangenheit wird ein verzerrtes Bild<br />

der Corporate Governance Standards im Unternehmen gezeichnet, was dem Sinn<br />

des § 161 AktG widerspricht. (Poten<strong>ziel</strong>le) Anleger sollen ihre Entscheidungen<br />

auch von der Einhaltung des Kodex in der Vergangenheit abhängig machen können,<br />

nicht zuletzt indem sie von der Praxis in der Vergangenheit auf die zukünftige<br />

Übung schließen. Zugegebener Maßen kann das Image der Gesellschaft unter<br />

einer solchen Korrektur leiden. Es ist durchaus denkbar, dass der Kapitalmarkt<br />

negativ darauf reagiert, dass in der Vergangenheit versehentlich unwahre<br />

Entsprechenserklärungen publiziert wurden. Das ändert allerdings nichts an der<br />

Korrekturpflicht. Insbesondere stellt die Entscheidung, ob ihr nachgekommen<br />

1406Lutter, ZHR 166 (2002), S. 523 (534).<br />

1407Teilweise wird die Auffassung vertreten, eine Aktualisierung der zuvor erläuterten Art habe nur<br />

zu erfolgen, wenn sich die generelle Absicht, die entsprechenden Kodexbestimmungen zu befolgen,<br />

ändert <strong>und</strong> nicht schon, wenn ein einmaliges Abweichen im Raum steht. Siehe etwa Heck, Haftungsrisiken<br />

(2006), S. 30; Ihrig/Wagner, BB 2002, S. 2509 (2511); Seibt, AG 2002, S. 249 (252); Semler/Wagner,<br />

NZG 2003, S. 553 (556). Hierfür wird im Wesentlichen angeführt, ein einmaliger Verstoß<br />

müsse ohnehin im Rahmen des retrospektiven Teils der nächsten Entsprechenserklärung erwähnt<br />

werden <strong>und</strong>, falls mit weiteren Verstößen nicht zu rechnen sei, habe sich die Absichtserklärung nicht<br />

als falsch herausgestellt, weil die Absicht, den Kodex einzuhalten, an sich noch vorhanden sei. Dem<br />

ist entschieden zu widersprechen. Ein einmaliges Abweichen von einer angenommenen<br />

Kodexbestimmung ist ein gewichtiges Indiz für die Absicht, sich auch in Zukunft nicht an sie zu<br />

halten. Angesichts des Zwecks von § 161 AktG Publizität bezüglich der Einhaltung des Kodex zu<br />

erzeugen, damit die (poten<strong>ziel</strong>len) Anleger die Corporate Governance in einem Unternehmen selbst<br />

bewerten können, muss es ihnen selbst überlassen werden, welche Schlüsse sie aus einem einmaligen<br />

Abweichen ziehen. Beraubt man sie der Informationsgr<strong>und</strong>lage für diese Entscheidung, ist dem<br />

Gesetzeszweck nicht Genüge getan. Dies deckt sich mit der bisherigen Linie der Rechtsprechung.<br />

Siehe BGH, Urteil vom 16.2.2009 - II ZR 185/07=BB 2009, S. 796 (798); OLG München, Urteil<br />

vom 6.8.2008- 7 U 5628/07=NZG 2009, S. 508 ff.<br />

1408Heck, Haftungsrisiken (2006), S. 33. Vgl. auch Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rn.<br />

1571.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!