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Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren

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Kapitel 1: Das Pflichtverletzungsmerkmal im Kontext der Organuntreue<br />

gehörenden Anforderung ist (poten<strong>ziel</strong>l) 230 eine Pflichtverletzung im Sinne der<br />

Untreue.<br />

Dennoch sind die Voraussetzungen Vermögensbetreuungspflicht <strong>und</strong> Pflichtverletzung<br />

strikt auseinanderzuhalten, wenn Klarheit darüber gewonnen werden<br />

soll, was der Inhalt des Pflichtverletzungsmerkmals ist. 231 Gr<strong>und</strong>legend für die<br />

adäquate dogmatische Erfassung des Pflichtverletzungsmerkmals ist die Erkenntnis,<br />

dass die insofern verletzten Einzelpflichten nicht im Wortsinn des § 266 StGB<br />

verankert sind. Denn mit der „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“<br />

ist nicht die verletzte Einzelpflicht gemeint, sondern die gesamte aus dem<br />

Treueverhältnis resultierende Pflichtenstellung, welche den Treunehmer zum tauglichen<br />

Untreuetäter werden lässt <strong>und</strong> deren Vorliegen aus der Bewertung der faktischen<br />

Herrschaftsmacht des Treunehmers folgt. 232<br />

Der Gesetzgeber hat also einen ganz ungewöhnlichen Weg gewählt: Er hat das<br />

tatbestandsmäßige Verhalten ganz abstrakt als Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht<br />

unter Verursachung eines Schadens beschrieben, ohne auch nur<br />

im Geringsten zu erklären, wann die Vermögensbetreuungspflicht denn verletzt<br />

ist. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt (überflüssiger Weise), anzugeben, aus<br />

welchen Quellen Regeln für das Verhältnis folgen können. Um zu erfahren, wann<br />

eine Pflichtverletzung vorliegt, wann also die Vermögensbetreuungspflicht pervertiert<br />

oder „verletzt“ ist, muss man aber wiederum Schlüsse aus den Eigenschaften<br />

ziehen, die eine Vermögensbetreuungspflicht ausmachen 233, weil ohne einen solchen<br />

Rückbezug nicht beurteilt werden kann, welche Regelverletzungen schon die<br />

Grenze zum Strafwürdigen überschreiten. Das liegt daran, dass nur ein solches<br />

Verhalten den untreuespezifischen Handlungsunwert verwirklichen kann, das sich<br />

als den Interessen des Vermögensinhabers zuwiderlaufende Ausübung der Herrschaftsposition<br />

des Täters begreifen lässt. 234<br />

Welche Anforderungen im Einzelnen auf der Primärebene bestehen <strong>und</strong> somit<br />

bei Nichterfüllung zur Untreuestrafbarkeit führen können, ergibt sich nicht aus<br />

dem Untreuetatbestand selbst. 235 Der Pflichteninhalt wird von diesem vielmehr<br />

vorausgesetzt. Ihn im Tatbestand wiederzugeben, wäre auch unmöglich <strong>und</strong> zu-<br />

230Ob sich jede Pflicht als Anknüpfungspunkt für einen Pflichtverletzungsvorwurf eignet, wird noch<br />

zu erörtern sein. Diese Frage stellt sich vor allem in Bezug auf sog. „Formalpflichten“. Außerdem ist<br />

fraglich, ob Pflichten aus Normen, die nicht das fremde Vermögen zu schützen bestimmt sind, als<br />

Anknüpfungspunkt für einen Pflichtverletzungsvorwurf dienen können. Außerdem stellt sich die<br />

Frage, inwiefern eine solche Pflicht auf der Vermögensbetreuungspflicht beruhen <strong>und</strong> ob eine<br />

Pflichtverletzung gravierend bzw. evident sein muss. Diese Fragen werden im Folgenden noch zu<br />

erörtern sein.<br />

231Saliger, in: SSW, § 266 Rn. 30.<br />

232Saliger, in: SSW, § 266 Rn. 39; ders., Parteiengesetz, S. 32. Anders Brammsen, wistra 2009, S. 85 (86),<br />

der Vermögensbetreuungspflicht <strong>und</strong> verletzte Einzelpflicht weitgehend gleichsetzt.<br />

233Sax, JZ 1977, S. 664 (665).<br />

234Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 3; Lassmann, Stiftungsuntreue (2007), S. 52; Schünemann, in:<br />

LK-StGB, § 266 Rn. 1.<br />

235Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 (354).

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