Untersuchungshintergrund, -ziel und -verfahren
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Kapitel 3: Das Abweichen vom Kodex als Pflichtverletzung<br />
chen von der eigenen Entsprechenserklärung gegen die Sorgfalt eines ordentlichen<br />
<strong>und</strong> gewissenhaften Organmitglieds verstößt, ist auch deshalb nahe liegend, weil<br />
die Entsprechenserklärung eine zukunftsgerichtete Komponente enthält <strong>und</strong> somit<br />
eine Absichtserklärung darstellt. Aus einer insofern positiven Erklärung könnte<br />
sich durchaus die Pflicht ergeben, sich an die angenommenen<br />
Kodexbestimmungen zu halten.<br />
Ob eine positive Entsprechenserklärung dazu führt, dass Verstöße gegen<br />
Kodexbestimmungen 1271 Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft sind, ist im<br />
Schrifttum aber dennoch umstritten. Teils wird eine solche Wirkung befürwortet<br />
1272, überwiegend jedoch abgelehnt 1273. Die insoweit zu findenden Aussagen<br />
sind allerdings von unterschiedlicher Deutlichkeit. Teils wird relativ vage davon<br />
gesprochen, dass Empfehlungen <strong>und</strong> Anregungen „für die gerichtliche Bestimmung<br />
des Sorgfaltsmaßstabs nach § 93 AktG bedeutsam“ sein könnten, wenn<br />
Entsprechenserklärungen abgegeben worden sind. 1274 Einige sprechen auch von<br />
einer Bindungswirkung der Entsprechenserklärung. 1275 Auch stößt man teilweise<br />
auf die Aussage, die zukunftsbezogene Komponente des Kodex sei verbindlich,<br />
könne aber „nachträglich für die Zukunft“ 1276 geändert werden. 1277 Diese Aussagen<br />
hängen größtenteils mit der Gesetzesbegründung zum TransPuG zusammen,<br />
in der es dazu wörtlich heißt:<br />
sein könnten, ist sehr umstritten. Da nach der hier vertretenen Auffassung jedes rechtswidrige Verhalten<br />
in Ausübung der Organtätigkeit eine Pflichtverletzung im Sinne der Untreue darstellt, ist es<br />
auch irrelevant, welche Rechtsreflexe im Falle der Abweichung von der eigenen<br />
Entsprechenserklärung eintreten können. Es muss nur untersucht werden, ob eine solche Abweichung<br />
rechtswidrig ist. Darauf beschränkt sich die Untersuchung dieser Fallgruppe.<br />
1271Es muss sich nicht um Empfehlungen handeln, da auch Anregungen zugestimmt werden kann.<br />
1272Siehe Vetter, NZG 2008, S. 121 (122): „Solange jedoch die gem. § 161 AktG bekannt gemachte<br />
<strong>und</strong> dauerhaft zugänglich gemachte Entsprechenserklärung in der Welt ist, sind Vorstand <strong>und</strong> Aufsichtsrat<br />
verpflichtet, sich an deren Erklärungsinhalt im Sinne der gewollten Selbstbindung zu halten.“.<br />
Siehe auch Lutter, in: FS-Huber (2006), S. 871 (873): „Aus der unverbindlichen Aufforderung<br />
des Kodex wird eine Rechtspflicht - nicht aufgr<strong>und</strong> des Kodex, sondern als Folge der eigenen Erklärung<br />
der Organmitglieder.“ Siehe ferner Kirschbaum, ZIP 2007, S. 2362 (2363); Sester, in: Spindler/Stilz,<br />
§ 161 Rn. 61.<br />
1273Berg/Stöcker, WM 2002, S. 1569 (1573); Bertrams, Haftung (2003), S. 141; Heck, Haftungsrisiken<br />
(2006), S. 29; Gelhausen/Hönsch, AG 2002, S. 529 (534); Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch<br />
AG, § 29, Rn. 66, 68; Hüffer, § 161 Rn. 20; Ihrig/Wagner, BB 2002, S. 789 (791); dies., BB 2002, S.<br />
2509 (2510); Lutter, ZHR 166 (2002), S. 523 (533); Semler, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 54; Spindler, in:<br />
Schmidt/Lutter, § 161 Rn. 14.<br />
1274Berg/Stöcker, WM 2002, S. 1569 (1575): „Bedeutung für die allgemeine Sorgfaltspflicht“; Seibt, AG<br />
2002, S. 249 (250): „Ausstrahlungswirkung“; Semler, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 31 f: „Ausstrahlungswirkung“;<br />
Sester, in: Spindler/Stilz, § 161 Rn. 22.<br />
1275Pfitzer/Oser/Wader, DB 2002, S. 1120 (1121).<br />
1276So Sester, in: Spindler/Stilz, § 161 Rn. 34.<br />
1277BT-Drucks. 14/8769, S. 1 (22); Lutter, ZHR 166 (2002), S. 523 (533); Ringleb, in:<br />
Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rn. 1572.