4-19_DER Mittelstand_web
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52 SCHWERPUNKT<br />
<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 4 | 20<strong>19</strong><br />
KLARTEXT: Bildung<br />
Kinderprogrammierer?<br />
Nein danke!<br />
Das Tablet in Kinderhänden ist der Ablassbrief des dritten<br />
Jahrtausends. Das gilt für Eltern, die sich damit ungestörte<br />
Zeit erkaufen, das gilt aber auch für Lehrer, Schulen und für<br />
die verantwortlichen Behörden. Denn dort herrscht oft die Ansicht,<br />
das mit der Digitalisierung sei etwas für die Jungen und würde sich<br />
nur langsam durchsetzen.<br />
Doch Digitalisierung ist ein Strukturthema. Das braucht Hardware,<br />
unbestritten. Vor allem aber braucht Digitalisierung Struktur zwischen<br />
den Ohren.<br />
Populär ist die Forderung, unsere Kinder sollen Programmieren lernen.<br />
Unsere Schulen, Großparkplätze für alte Passat Kombis und<br />
neue Toyota Prius, sollen jetzt unsere ABC-Schützen Programmieren<br />
lehren, damit wir global nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken?<br />
Was für ein Witz!<br />
Einerseits ist Programmieren eine Spezialdisziplin, die wahrlich nicht<br />
jeder im Leben braucht. Andererseits setzt gute Programmierung jede<br />
Menge voraus: Der Ursprung der Programmierung ist Sprache.<br />
Also Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung, Satzbau, Wortkunde,<br />
Rhetorik, das volle Programm. Ich gehe jede Wette ein, dass<br />
Schüler, die guten Sprachunterricht, vor allem in ihrer Muttersprache,<br />
genossen haben, sehr schnell zu sehr guten Digitaldenkern und Programmierern<br />
werden können.<br />
einmal zu mündigen Bürgern erzogen und mit den bestmöglichen<br />
Grundlagen ausgestattet, schon alleine.<br />
Es ist ein bisschen wie bei den richtig guten Reformschulen. Sie erwarten<br />
von Lehrern nicht, Kindern Lehrstoff beizubringen, das können<br />
die selbst viel besser, wenn sie die vorhandenen (digitalen) Möglichkeiten<br />
nutzen. Die wichtigste und edelste Aufgabe von Lehrern<br />
muss doch sein, dafür zu sorgen und wenn es sein muss: darum zu<br />
kämpfen, dass es unseren Kindern gut geht, dass sie die bestmöglichen<br />
Rahmenbedingungen vorfinden, um inspiriert, gestärkt und<br />
ernst genommen ins Leben zu wachsen.<br />
Was unsere Kinder bis ins hohe Alter brauchen, ist das Wissen um<br />
das Wesen der Dinge und die daraus resultierenden Zusammenhänge.<br />
Kein Kind muss Programmieren können, das machen spätestens<br />
morgen Maschinen mit Künstlicher Intelligenz viel besser als wir.<br />
Schneller, fehlerfrei, preiswerter und ohne Berge schimmeliger Pizza-Kartons.<br />
Guido Augustin<br />
BVMW Pressesprecher<br />
Rheinhessen<br />
Kommunikationsberater<br />
Unsere Schulen können, sollen, dürfen die Digitalisierung nicht ignorieren,<br />
aber weder geht es darum, Pizza verschlingende Nerds zu<br />
züchten, noch ist es damit getan, das speckige Lehrbuch durch ein<br />
speckiges Tablet zu ersetzen. Es muss darum gehen, dass unsere<br />
Schüler die Motive, die Risiken und vor allem die Chancen unserer<br />
Gesellschaft zu durchdringen lernen. Den Rest machen die Kinder,<br />
ga@guidoaugustin.com<br />
Foto: © Heike Rost